Deming-Problem Markus Reimer Keynote Speaker Redner Vortrag Qualität Innovation Digitalisierung Wissen Agilität

Das Deming-Problem

Der Deming-Kreis wird zum Deming-Problem. „Im Kreis drehen“ ist ja vom Grunde her nicht erstrebenswert, denn es bedeutet sich zu bewegen, ohne großartig von der Stelle zu kommen. Man bewegt sich vielleicht immer besser, immer effizienter, vielleicht sogar immer effektiver. Aber wohin und reicht das dann aus?     

    

Die Deming-Shewhart-Geburt: PDCA  

Deming-Problem Markus Reimer Keynote Speaker Redner Vortrag Qualität Innovation Digitalisierung Wissen AgilitätAls Quali-Täter (dieses Wortspiel musste einfach auch mal sein) kommt man völlig unmöglich an ihm vorbei: an Edwards Deming, dem amerikanischen Statistiker und Qualitätsmanagement-Pionier. Er hat so viel Kluges in Sachen Management geschrieben, dass es kaum ein klassisches Themenfeld gibt, welches von ihm undurchdacht und unbeschrieben blieb. Als Beispiel sei auf seine sieben tödlichen Krankheiten des Managements hingewiesen. Vor allem kennt man ihn aber natürlich als den Geburtshelfer des modernen Qualitätsmanagements.

Der „Deming-Kreis“ ist dabei sicher seine berühmteste geistige Hinterlassenschaft. Dieser stellt bekannter Weise ein Modell dar zur kontinuierlichen Verbesserung von Prozessen, Produkten oder Dienstleistungen. Er wurde aber nur „fast“ von Deming entwickelt, denn er stützte sich dabei vor allem auf die Arbeiten seines Lehrers Walter A. Shewhart. Shewhart begründete das statistische Prozesskontrollverfahren und er schlug in den dreißiger Jahren des letzten Jahrtausends einen Regelkreis aus drei Schritten vor: Specification – Production – Inspection. Später ging Deming auf dieser Basis einen Schritt weiter und landete bei den vier berühmten Schritten: Plan – Do – Check – Act (PDCA), also Planen, Ausführen, Prüfen und Handeln. Der PDCA-Kreis war geboren; der Vater hieß aber eher Shewhart als Deming.

Auch wenn Deming den Kreis aufnahm, verbreitete und eben berühmt machte, so war er dennoch nicht seine Erfindung. Genau das hat er jedoch auch nie behauptet. Er selbst sprach stets vom Shewhart-Kreis. Der Rest der Welt sprach und spricht vom Deming-Kreis. So viel zur Einleitung. Das ist aber nicht das Problem. Das Problem ist ein viel größer dimensioniertes.

 

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Das Deming-Problem: Der lineare Kreis

Deming übernahm bekannter Weise den PDCA-Ansatz und passte ihn – ebenso bekannter Weise – an die Bedürfnisse der japanischen (!) Industrie nach dem Zweiten Weltkrieg an. Er richtete den Kreis konsequent auf Kundenerwartungen aus und unterstrich die Bedeutung des ständigen Lernens und Anpassens in und von Organisationen. So wurde der Deming-Kreis ein weit verbreitetes Werkzeug zur systematischen Verbesserung von Qualität und Effizienz in allen Bereichen. So weit, doch auch so gut?

Ist bei einem Kreis wirklich alles gut? „Im Kreis drehen“ ist ja vom Grunde her nicht erstrebenswert, denn es bedeutet sich zu bewegen, ohne großartig von der Stelle zu kommen. Man bewegt sich vielleicht immer besser, immer effizienter, vielleicht sogar immer effektiver. Aber wohin und reicht das dann aus? Der Deming-Kreis wird zum Deming-Problem.
Das Problem liegt meines Erachtens in der Tatsache, dass der Deming-Kreis nicht nur nicht zirkulär, sondern eher zu sehr linear gedacht wird! Was ich damit meine: Plan – Do – Check werden zwar ausnahmslos in einer Kreislinie dargestellt, aber hintereinander linear gedacht und umgesetzt.

 

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Plan Do Check

 

Dann wird das „gecheckt“, was „geplant“ war. Ist das so Ordnung, fällt der Umfang des „Act“ entsprechend gering aus. Weicht jedoch das Ergebnis des „Check“ vom „Plan“ wesentlich ab, so wird der Umfang des „Act“ größer.

 

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Plan Do Check und ACT

 

Der Ausgangspunkt bleibt dabei immer „Plan“; der Endpunkt sozusagen auch. Und genau das ist das Problem. Es handelt sich grundsätzlich um eine Art „Plan“-Wirtschaft. Das ist niemals gut.

 

 

Die Hermeneutik als grundsätzliche Parallelität

Es gibt hier eine Parallelität zum sogenannten hermeneutischen Zirkel. Der hermeneutische Zirkel beschreibt, wie wir Texte verstehen und interpretieren; dass wir einen Text nur verstehen können, wenn wir seine einzelnen Teile im Zusammenhang mit dem Ganzen sehen, und dass wir das Ganze nur verstehen können, wenn wir seine einzelnen Teile kennen. Das Entscheidende dabei ist, dass, wenn wir einen Text lesen, immer schon unser eigenes Vorwissen und unsere eigenen Erwartungen mitbringen. Diese beeinflussen, wie wir den Text wahrnehmen und deuten. Gleichzeitig verändert sich unser Vorwissen und unsere Erwartungen durch den Text selbst, denn er eröffnet uns neue Perspektiven und Erkenntnisse. So entsteht ein ständiger Wechsel zwischen dem Teil und dem Ganzen, zwischen dem Vorverständnis und dem Verstehen.

Somit kann der hermeneutische Zirkel weniger als Zirkel, als vielmehr als eine Spirale gedacht und sollte auch so verstanden werden. Er wirkt mehrdimensional. Aus diesem Grund ist auch das „Lernmodell des Nürnberger Trichters“ unsinnig. Jedes Lernen wirkt bei jedem Menschen aufgrund seiner Vorerfahrungen anders und fügt sich in das bisherige Ganze ein und verändert somit wieder die Vorerfahrung und damit die Voraussetzung für alles, was folgt. Das ist kein Zirkel. Und wie sieht das nun mit dem Deming-Zirkel aus?

 

 

Selfmade: Das Deming-Problem

Problem Nr. 1

Der Zusammenhang zwischen dem Deming-Kreis und dem hermeneutischen Zirkel besteht darin, dass beide eine zirkuläre Bewegung darstellen und beschreiben, die auf einem Wechselspiel zwischen Theorie und Praxis beruht. Während dies beim hermeneutischen Zirkel durchaus über den Zirkel hinausgedacht wird, ist dies beim Deming-Kreis eher nicht der Fall. Das „Plan“ bleibt in der Regel bestehen und die Schleife zurück über „Act“ verändert zu oft nicht das Ziel des „Plan“. Zu oft wird am Ziel festgehalten und lediglich die zur Realisierung notwendigen Ressourcen werden verändert. Es entstehen Fragen wie: „Warum wurde das Ziel laut „Plan“ nicht erreicht?“ Was wird unternommen, damit das nicht mehr passiert? Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden? Die Maßnahmen betreffen aber in der Regel nicht die Veränderung der „Plan“-Ziele: Linearität!

Dabei wird völlig ausgeblendet, dass das „Do“ bereits das „Plan“ nicht nur verändern kann, sondern das ziemlich wahrscheinlich auch macht. Das ist bei strikten kleinen oder industriell optimierten Abläufen nicht das große Problem. Es ist aber bei offenen großen z.B. strategischen Entscheidungen alles andere als ein kleines Problem.

 

Problem Nr. 2

Die weitere Folge daraus ist: Wenn das „Plan“-Ziel noch nicht genau feststeht – was sehr oft bei innovativen Vorhaben der Fall ist, dann werden genau diese Vorhaben außerhalb des „PDCA“-, des Deming-Kreises angegangen. Weil: Jede Linie braucht einen eindeutigen Ausgangspunkt. Ist dieser nicht vorhanden, kann die (gedachte!) Linie nicht starten. Damit befindet sich das Thema „Innovation“ sehr oft außerhalb des „Qualitäts“-Managementsystems. Die Folge: Im sub-positiven Fall entstehen Parallel-Systeme; im normalen Fall entsteht irgendetwas Paralleles, was zwar niemand so richtig benennen kann, was aber von enormer Wichtigkeit ist. Denn es geht um das Neue, das Innovative, um die Veränderung und Transformation. Es geht um nichts anderes als die Chancen der Zukunftsfähigkeit.

 

 

Eine grundsätzliche Lösung zum Deming-Problem

Das Deming-Problem ist haus-, also selbstgemacht. Niemand hindert uns daran, den Deming-Kreis anders und konsequent weiter zu denken. Aber natürlich ist es zunächst einfacher, am einmal gesetzten Ziel („Plan“) festzuhalten und sozusagen chronologisch wie vorgesehen vorzugehen. Alles andere scheint schwieriger. Scheint. Besonders hervorzuheben ist, dass selbst Shewhart die Gefahr des linearen Denkens in Bezug auf seine drei Schritte „Specification → Production → Inspection“ erkannt hat: „Diese drei Schritte müssen in einem Kreis verlaufen, statt wie gezeigt in einer geraden Linie … Es kann hilfreich sein, sich die drei Schritte als wissenschaftliche Methode in den Massenprozessen vorzustellen. In diesen Sinne korrespondieren Spezifikation, Produktion und Prüfen mit ‚Hypothese erstellen‘, ‚Experiment durchführen‘ und ‚Überprüfen der Hypothese‘. Diese drei Schritte stellen einen dynamischen, wissenschaftlichen Prozess des Wissenserwerbs dar.“ – Walter Andrew Shewhart[2]

Es ist vielleicht aber weniger schwierig als es den Anschein hat. Der PDCA-Zirkel gilt als das Paradeinstrument der Kontinuierlichen Verbesserung. Verbesserung bedeutet aber eben immer nur Verbesserung des Bestehenden. Um das uralte Beispiel aufzugreifen: Ein Auto ist keine verbesserte Kutsche. Wenn aber im Plan nur Kutschen vorgesehen sind, dann findet ein Auto keinen Einzug in die Prozesse.

Ähnlich dürfte es sich derzeit mit den Anwendungen um Künstliche Intelligenz verhalten. Die Frage „Inwieweit spielt KI im Managementsystem der eigenen Organisation eine Rolle?“ kann hoffentlich konstruktiv beantwortet werden. Falls nicht: Dann nichts wie ran an dieses Thema. Innovation, das Neue müssen im Managementsystem, im „Plan“ eine prominente Rolle spielen! „Plan“ muss flexibler, fluider werden. Dazu muss der Deming-Zirkel die Zweidimensionalität verlassen und eine Deming-Spirale werden, die sich in verschiedene Richtungen bewegen kann. Und bei den Geschwindigkeiten heute, da sollte sogar noch die vierte Dimension berücksichtigt werden: Die Zeit. Zum Glück kann diese  im „Plan“ integriert werden. Aber flexibel, versteht sich!

 

 

 

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