Die Hupe – eine Managementbewertung

Die Managementbewertung überprüft die Funktionstüchtigkeit ihres Managementsystems. Trifft das nicht auf alle Teile zu, so kann es gefährlich werden. Das Motorrad gerät aus der stabilen Schieflage und stellt sich auf, was schlecht und deswegen gefährlich ist – für die Existenz des Fahrers; das Unternehmen gerät in die Schieflage und steht plötzlich nicht mehr stabil, was schlecht und deswegen gefährlich ist – für die Existenz des Unternehmens.

 

Es hupt nicht: Eine Erkenntnis

Mit einigem Selbstvertrauen und der Überzeugung, dass die Hauptuntersuchung meines Motorrads nur eine Formsache werden würde, fuhr ich genau damit zur Prüfstelle. Eine freundliche Dame empfing mich, bereitete alles Administrative vor und kündigte an, dass der nächste Prüfer gleich für mich Zeit hätte. Also für mein Motorrad. Tatsächlich kam dieser auch ziemlich schnell um die Ecke, schnappte sich mein Motorrad und machte damit dieses und jenes. Er machte wahrscheinlich genau das, was ein Prüfer halt so macht. Er hat da sicher seine Kriterien.

Einigermaßen zügig war er dann auch fertig und teilte mir das Ergebnis mit: „Ich kann Ihnen leider die Plakette nicht geben. Die Hupe funktioniert nicht.“ Die Hupe funktioniert nicht? Ich testete selbst: Sie funktionierte wirklich nicht. Trotz meines nicht allzu ausgeprägten technischen Sachverstands konnte ich das selbst überprüfen. Ich drückte auf den Hupknopf – falls man diesen so nennt – und es tat sich insgesamt nichts. Es blieb still. Wenn man hupt, dann ist es nicht still. Das war ein eindeutiges Zeichen. Es hupt nicht und dazu brauche ich echt die Prüfstelle, die mir das sagt? Eigentlich nicht. In der Wirklichkeit schon. Denn es hupt oft nicht!

 

Die hupende Managementbewertung

Wie gesagt: Ich hätte auf jeden Fall selbst daraufkommen können, dass mein Motorrad nicht hupt. Da ich aber wohl ein sehr zahmer Biker bin (siehe auch den Blog-Artikel „Das Biker-Prinzip“), brauche ich wohl die Hupe nicht allzu oft. Eher gar nicht. Und ich war wohl als Lenker des Gefährts auch noch in keiner Situation, in der ich jemanden hätte warnen, also anhupen müssen.

Und hier lässt sich doch sofort eine Parallele ziehen zu allerhand Organisationsspezifika. Nicht nur Lenker von Motorrädern, sondern auch Lenker von Unternehmen müssen ganz einfach wissen, ob alle Teile ihres zu lenkenden Gebildes noch so tüchtig sind, wie sie es sein sollten: Die Funktionstüchtigkeit ihres Unternehmens, ihres Managementsystems. Tut es das in einigen Teilen nicht, so kann es gefährlich werden. Das Motorrad gerät aus der stabilen Schieflage und stellt sich auf, was schlecht und deswegen gefährlich ist – für die Existenz des Fahrers; das Unternehmen gerät in die Schieflage und steht plötzlich nicht mehr stabil, was schlecht und deswegen gefährlich ist – für die Existenz des Unternehmens.

Aus diesem und keinem anderen Grund ist in einem Managementsystem zwingend eine Managementbewertung vorgesehen: Eine kritische Selbstbewertung des Lenkers zu seiner Organisation. Eine Art eigene Hauptuntersuchung. Die einfache Frage lautet im übertragenen Sinne: Würden alle Hupen funktionieren, wenn man sie brauchen würde? Einen Kriterienkatalog dazu gibt es. Er ist in ISO 9001 ausführlich dargelegt.

 

Die Managementbewertung: Ein Kriterienkatalog

Nun ist es in einem Unternehmen nicht ganz so einfach: Einfach nur auf den Hupknopf zu drücken, um feststellen zu können, ob es laut wird oder nicht … schwierig. Wo sind also die Hupknöpfe eines Unternehmens?

Die Anforderungen an eine Managementbewertung nach ISO 9001 geben hier eine ausgezeichnete Hilfestellung. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass eine Managementbewertung geplant und regelmäßig durchgeführt wird. Ansonsten haben wir Willkür und Beliebigkeit. Mal hupen wir, mal nicht. Das ist keine Systematik, aber genau darum geht es. Und dafür müssen dann folgende elf Punkte berücksichtigt werden:

 

  1. Vorausgegangene Managementbewertungen

Mit anderen Worten: Hat es damals gehupt? Und was haben wir unternommen, weil es nicht gehupt hat? Oder was haben wir getan, dass es auch zuverlässig weiterhupt? Dies gilt es zu betrachten. Es ist der rote Faden des Unternehmens.

 

  1. Die Gesamtsituation – oder der Kontext

Mit anderen Worten: Gibt es mittlerweile den Bedarf öfter zu hupen? Oder gar nicht mehr? Wer will überhaupt, dass wir hupen? Wo und wie hupt der Wettbewerb? Brauchen wir vielleicht eine neue Hupe? Einen anderen Sound? Und wo bekommen wir diesen her? Hupen klingt einfach – ist es aber nicht, wenn man genauer hinschaut. Darum ist dieser Punkt in einer Managementbewertung nicht nur sinnvoll, sondern notwendig.

 

  1. Zielerfüllung

Welche Ziele haben wir verfolgt und was haben wir davon erreicht? Und wenn nicht: Sind wir nun überrascht? Oder: Warum haben wir unsere Ziele nicht erreicht? Wer hat was unternommen? Hat es zwischendurch mal gehupt? Und was folgt daraus für unsere neuen Ziele? Oder sind uns unsere Ziele auch egal? Falls ja: Was um Himmels Willen sind das dann für Ziele??

 

  1. Leistungen der Prozesse

Wir haben Prozesse definiert, die dazu führen sollen, dass die Gesamtleistung stimmt – also unsere Ziele erreicht werden. Dazu müssen alle Prozesse ihre angedachte Leistung erbringen. Wechselwirkungen müssen klar herausgestellt sein. Ein Beispiel: Wenn der Prozess der Öffentlichkeitsarbeit oder des Marketings nicht ausreichend und positiv hupt, dann tut sich automatisch das Recruiting schwerer. Das ist die Wechselwirkung. Wenn der Vertrieb sehr erfolgreich Dinge verkauft, die die Produktion nicht herstellen kann, dann wird es auch schwierig. Wechselwirkung! Es muss zusammenpassen. Fertig.

 

Jetzt einen unverbindlichen Beratungstermin mit Dr. Markus Reimer vereinbaren. 

Banner zum Beratungsangebot

 

  1. Fehler und Korrekturen

Was ist so passiert, wie es eigentlich hätte nicht passieren sollen? Was haben wir dagegen gemacht? Und kann das wieder vorkommen? Am besten nicht. Es ist ein eigenartiges Signal, wenn in der Managementbewertung sich herausstellt, dass die Anzahl der Fehler und der daraus folgenden Korrekturen sich permanent erhöht. Es muss nicht zwingend negativ sein – in der Regel ist es das aber schon. Deswegen sollte in diesem Fall schon die Alarmsirene heulen – oder frühzeitig gehupt werden.

 

  1. Überwachungen und Messungen

Das Eine ergibt das Andere. Um zu aussagekräftigen Ergebnissen zu kommen, brauche ich saubere Messungen. Nur so kann eine Überwachung sinnvoll stattfinden. Bei der Hupe ist es relativ einfach. Sie hupt – das hört man, oder sie hupt nicht – das hört man dann nicht. Das ist eine Art Messung und Überwachung gleichzeitig. Eine statistische Auswertung ist dazu in der Regel nicht notwendig. Eine Managementbewertung fasst genau diese zusammen und … bewertet eben.

 

  1. Auditergebnisse

Eine systematische Überprüfung der Zusammenhänge, Wechselwirkungen und der Einhaltung von Anforderungen erfolgt durch geplante, durchgeführte und dokumentierte interne Audits. Deren Ergebnisse sind bei entsprechendem Engagement immer aussagekräftig – und gehören deshalb in jede Managementbewertung. Sollten die Ergebnisse aus den internen Audits keine Erkenntnisse für die Managementbewertung erbringen: Dann stimmt mit den internen Audits etwas nicht. Nachschauen!

 

  1. Lieferanten

Auch wenn es Tradition ist, seine Hupen immer beim gleichen Hersteller oder Lieferanten zu beziehen: Es ist ungut, sich darauf zu verlassen, dass man den richtigen wohl schon haben wird. Bewertungen der Lieferanten, vor allem wenn diese das eigene Produkt oder die eigene Dienstleistung beeinflussen, sind unabdingbar. Es könnte auch bessere geben! Die Managementbewertung wirft einen kritischen Blick auf diese und führt zu einer Entscheidung: Passt oder passt nicht.

 

  1. Ressourcen

Man kann sehr viel wollen in einer Organisation. Das ist in der Regel auch nie das Problem, das Wollen. Schwieriger wird es beim Geben. Denn wer viel will, muss auch das zur Verfügung stellen, was dafür notwendig ist. Hier bewertet das Management grundsätzlich sich selbst. Stelle ich genügend Ressourcen zur Verfügung, um das gesamte System so am Laufen zu halten, wie wir alle uns das vorstellen? Wenn ja: Gut. Wenn nein: Ändern! Entweder das Wollen oder das Geben.

 

  1. Risiken und Chancen

Wenn der Kontext betrachtet wird (siehe oben unter 2.), dann werden auch die Risiken betrachtet – und die Chancen. In der Managementbewertung ist dies ein unabdingbarer Bestandteil: Welche Risiken gehen wir ein, müssen wir eingehen oder haben wir bereits? Was tun wir dagegen? Nichts? Schlecht! Sehr schlecht! Und wenn wir etwas dagegen tun, was sinnvoll ist: Welche Chancen ergeben sich daraus für uns? Wenn wir schon eine zweite Hupe beschaffen für den Fall, dass die erste ausfällt: Welche Möglichkeiten bietet uns die zweite Hupe? Ein Hupkonzert? Daraus: Eine Konzertveranstaltung? Zusätzliches Einkommen durch Hup-Konzertbesucher? Man kann darüber nachdenken. Muss man für dieses Beispiel aber nicht.

 

  1. Verbesserungsmöglichkeiten

Alles läuft. Es läuft eigentlich auch richtig gut. Warum also etwas ändern? Das ist die Frage, die sich in einer Managementbewertung wiederfinden muss. Was kann besser gemacht werden? Wie kann das System besser werden? Welche Verbesserungen wurden im vergangenen Zeitraum vorgenommen? Wie viele Vorschläge gab es, und welche davon wurden umgesetzt? Ein gutes System ist immer nur dann wirklich gut, wenn es sich weiterentwickelt. Aufgabe der Managementbewertung ist es, genau das zu betrachten – oder noch besser weiter anzustoßen.

 

Nach der Managementbewertung ist vor der Managementbewertung

Aus all diesen Kriterien folgen Einzel- und Gesamtbewertungen. Am Ende stellt sich heraus, ob alles so hupt, wie es hupen soll. Ist das der Fall, dann gibt es eine Maßnahme: Weiter so! Nur nicht nachlassen! Wenn am Ende sich herausstellt, dass die Huperei sich leider nicht so darstellt, wie sie sein sollte: Dann gilt es Maßnahmen zu treffen. Wir brauchen neue Hupen! Neue Hupenlieferanten! Wir müssen unsere Hupen genauer überwachen! Der Markt sagt uns, dass wir gar keine Hupen mehr brauchen: Es reichen Klingeln. Oder der Markt sagt uns, dass unsere Hupen nicht mehr ausreichen: Wir brauchen Sirenen!

All das muss nicht warten bis zur Managementbewertung. Aber spätestens dort wird dann auf einer soliden Grundlage entschieden, ob wir in Zukunft klingeln, hupen oder „sirenen“ wollen. Und ob wir wieder eine Plakette fürs Motorrad bekommen – oder nicht.

 

Hier können Sie die Business-Reflexionen-Trilogie „Das Walross“, „Der Kugelfisch“ und „Die Seegurke“ bestellen. Je 160 Seiten. Je 14,80 €. Gerne mit persönlicher Widmung.

Hier finden Sie Vortragsausschnitte von mir zu den Themen #Qualität #Innovation #Nachhaltigkeit #Wissen #Agilität #Digitalisierung.

Hier finden Sie mein Beratungsangebot für Ihr Unternehmen: Entwicklung von #Vision #Mission #Zielen #Strategien #Prozessen, zu #Innovation #Nachhaltigkeit und die Durchführung von internen Audits

 

Dr. phil. Markus Reimer ist Keynote-Speaker und Lead Auditor für Managementsysteme.