Kundenbeziehung. Eine anekdotische Bestandsaufnahme

Ein Unternehmen lebt ausschließlich davon, dass es Kunden hat, diese bedient und bestenfalls langfristig eine Kundenbeziehung herstellt. Ich bin in letzter Zeit hauptsächlich derjenige, der gerne als Kunde wahrgenommen oder überhaupt Kunde werden möchte; was mir aber zumeist nicht gelingt. Was also ist hier los?    

 

Der Kunde könnte kaufen

Ein ungemütlicher Tag ist der 16. November 2022 in Deggendorf, meiner Heimatstadt. Kalt, ein wenig nass, um 16.00 Uhr schon leicht dunkel, diesig, neblig. Was man eben so grundsätzlich unter ungemütlich versteht, verstehen kann oder verstehen will. Von einem Novembertag kann man aber im Prinzip auch nichts anderes erwarten. Zumindest noch nicht.

In dieser unwirtlichen Umgebung gehen meine Frau und ich am hell und gelb erleuchteten Reisebüro in der Pfleggasse vorbei. Durch die riesigen Schaufenster können wir sehen: Der großzügig gestaltete Raum ist mit vier Angestellten besetzt, aber mit keinen Kunden. Das scheint die für uns geschaffene Gelegenheit zu sein, dem anstehenden Winter – zumindest mittelfristig – mittels einer Reise zu entkommen. Gedacht, getan. Wir werden eine Reise weg vom herannahenden Winter buchen; und zwar in diesem einladenden Reisebüro. Soweit der einigermaßen spontane, und, wie sich gleich herausstellen wird, etwas naive Plan.

 

„Ticket-Kommunikation“ als Kundenbeziehung?

Wir betreten das Reisebüro. Oder besser: Wir wollen das Reisebüro betreten, was aber nicht geht. Weil ein Ticketautomat den Weg versperrt. Dieser steht in der Mitte des Eingangs. Bevor wir also den weithin sichtbar leeren Raum betreten, müssen wir wohl – oder übel! – eine Nummer ziehen. Vier Angestellte drehen sich zu und beobachten uns. Das Display wartet derweil auf eine Aktion. Wahrscheinlich von mir. Nun ja. Ich drücke auf das Display und erhalte dafür die beleuchtete Frage:

„Haben Sie einen Termin?“

Ich drücke: „Nein!“

„Welches Anliegen haben Sie?“

Ich wähle aus den vorhandenen Möglichkeiten: „Reiseberatung“.

Daraufhin schiebt sich aus dem Inneren des Automaten, geradezu konspirativ leise, ein Ticket. Ich nehme es in die Hand; es trägt die Nummer 2002. Ich schaue auf das Ticket, dann auf die vier Angestellten, die wiederum zu uns schauen, dann schaue ich wieder auf das Ticket. Mit der Nummer 2002. Im leeren Reisebüro.

Die Dame, die am nächsten zu uns sitzt, fragt:

„Was können wir für Sie tun?“

„Wir würden gerne eine Reise buchen!“

„Haben Sie denn einen Termin?“

Ich schaue den Ticketautomaten an. Hatte ich also recht mit der Konspiration; er hat nichts weitergegeben.

„Nein, haben wir nicht.“

„Sie bräuchten aber einen!“

„Einen was?“

„Einen Termin!“

„Ja, aber wir haben keinen.“

Ich schaue in den leeren Laden. Dann wieder auf mein Ticket. 2002.

„Wissen Sie denn schon, wohin Sie reisen möchten?“

„Nicht unbedingt. Wir sind da offen! Nur der Zeitraum steht fest.“

„Ja, dann teilen Sie uns doch einfach mit, wohin Sie reisen möchten, zum Beispiel per Mail und wir schicken Ihnen dann verschiedene Angebote zu!“

„Aber wir sind doch jetzt hier!“

„Ja, aber wir haben hier sehr viel zu tun. Alle wollen jetzt nach der Corona-Zeit verreisen!“

Ich schaue in den leeren Laden. Die Angestellten schauen zu uns, dann weg.

„Und was ist das hier jetzt mit dem Ticket?“

„Das machen wir seit Corona so.“

Aha. „Also schreiben wir Ihnen jetzt eine eMail?“

„Ja, genau! Und wir melden uns dann bei Ihnen.“

Ich schaue nochmals mein Ticket an. 2002. Dann in den leeren Laden. Die Angestellten schauen in ihre Bildschirme.

Wir gehen. Verwirrt.

Die Reise haben wir zwei Tage später über eine Reiseplattform gebucht.

 

Von der Anekdote zur Empirie: Kundenbeziehung im freien Fall?

Natürlich könnte ich jetzt diese Reisebüro-Erfahrung als kleines absurdes Episödchen meines Lebens einordnen und damit auch Episödchen sein lassen. Doch genau hier ist das Problem. Die Reisebüro-Erfahrung mache ich derzeit an vielen, an viel zu vielen Stellen. Und es geht nicht nur mir so. Das ist das noch größere Problem.

Noch ein Beispiel aus der kürzeren eigenen Erfahrung? Gerne. Ein Kaminkehrer, der meinen Schwiegereltern auch in Deggendorf die Überprüfung ihrer Gasheizung auferlegt; dazu die Meldung an die Stadt Deggendorf weitergibt, die dann wiederum einen Termin für meine Schwiegereltern – hochoffiziell und schriftlich – festlegt. Das etwas größere Dilemma dabei: Meine Schwiegereltern haben gar keine Gasheizung. Anruf beim Kaminkehrer. Der, im höchsten Grade unfreundlich: Er könne da nichts machen, weil das Sache der Kommune, also der Stadt Deggendorf, sei. Anruf bei der Stadt Deggendorf: Ja, da müsste man den Kaminkehrer kontaktieren. Achja? Und überhaupt sei der zuständige Bearbeiter hier in der Verwaltung auch gar nicht da. Der käme erst nächste Woche wieder. Jemand anderer kenne sich nicht aus. Er würde aber nächste Woche zurückrufen. Natürlich. Da sind wir uns alle sicher. Drei Wochen später: Nichts! Präziser: Gar nichts!

Und kommt Ihnen dieser Satz bei Kontakten zu Unternehmen bekannt vor? „Der ist im Homeoffice und daher wahrscheinlich nicht zu erreichen.“

Ja was denn nun? Homeoffice! Oder doch Homeholiday – natürlich mit Bezahlung!?

Seit mehreren Tagen versuche ich über die Website BAMbuddy.de Weihnachtsgeschenke für meine Kunden zu bestellen. Nachfragen gestartet. Ergebnis: Keine Antwort! Präziser: Keine einzige Antwort ist bei mir eingegangen (Stand: 22.11.22). Einfach nichts. Es geht um einen nicht unwesentlichen vierstelligen Betrag.

Was ist also los bei uns? Aus Episoden und Anekdoten wird langsam, aber sicher, Empirie! Die Empirie zum Thema Kundenbeziehung …

 

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Zwischen Bedürfnis und Erwartung: Kommunikation, Kompetenz, Kundenbeziehung

Die Beispiele stammen aus der Welt der Kunden. Ich bin in den genannten Beispielen aus der jüngsten Vergangenheit hauptsächlich derjenige, der gerne als Kunde wahrgenommen oder überhaupt Kunde werden möchte; was mir aber zumeist nicht gelingt. Was also ist hier los?

Ein Unternehmen lebt ausschließlich davon, dass es Kunden hat und diese bedient. Als Kunden sind diejenigen zu verstehen, die eine Leistung empfangen oder gerne empfangen möchten. Wenn aber ein Unternehmen eine Leistung für Kunden anbietet, diese aber diesen nicht liefert, dann ist genau dies ein wesentliches Problem.

Wenn ein Unternehmen keine weiteren Kunden mehr annehmen kann, dann ist das unter einer Bedingung kein Problem: Wenn das klar kommuniziert wird. „Tut uns leid, aber wir sind voll bis obenhin und können keine weiteren Kunden mehr annehmen.“ Dann ist die Erwartung des Kunden in die richtige Bahn gelenkt: Es geht nichts. Punkt. Eine klare Ansage. Keine Erwartung mehr. Aus. Aber durch die offene und am besten zugewandte Kommunikation entsteht wenigstens eine Kundenbeziehung, auf die künftige Erwartungen aufbauen können.

 

Schwierige Zeiten für die Kundenbeziehung

Wenn aber ein Unternehmen diese klare Ansage vermissen lässt und sich auf prozessuale Abläufe mit Tickets, eMails etc. zurückzieht, dann ist das nicht die Erfüllung der Erwartung des Kunden. Noch nicht einmal im Ansatz. Präziser: Gar nicht. Ein Ticket zu ziehen ist dann sinnvoll, wenn wenigstens ein paar Menschen zur gleichen Zeit an der gleichen Stelle bedient werden wollen. Ein Ticket in einem leeren Ladengeschäft mit angestellten Zuschauern ziehen zu müssen, um dann zu erfahren, dass man eine Mail schreiben solle, ist absurd und führt zur Ablehnung. Dass das seit Corona so eingeführt sei, das stimmt vielleicht; eine sinnvolle Erklärung ist es nicht. Präziser: Überhaupt nicht! Die andere mögliche Begründung „wir haben hier jetzt Digitalisierung!“ wäre ähnlich sinnbefreit.

Was ist los?

Fachkräftemangel, Quereinsteigerinnen, Auftragsvolumen, Lieferketten etc: All das können Gründe dafür sein, dass es hier bei uns nicht mehr rund läuft. Dann brauchen aber alle Unternehmen zum einen die Selbstreflexion, was genau bei ihnen nicht mehr rund läuft. Und zum anderen die Kommunikationskompetenz, mit genau dieser Situation nach innen und außen umzugehen, so dass zu den Kunden trotzdem eine Beziehung aufgebaut werden kann. Denn das Bedürfnis der Kundin wird weiterhin vorhanden sein; die Erwartung wird dann aber sicher nicht mehr an das gelb erleuchtete Reisebüro gestellt werden. Das sollten sich Unternehmen nicht leisten. Auch wenn jetzt die Zeiten herausfordernd sind: aber Zeiten ändern sich auch wieder.

 

Kundenbeziehung am Ende?

Wenn es also in schwierigen Zeiten gelingen soll, Kunden für sich zu gewinnen, dann sollte ein erster Ansatzpunkt sein, sich in genau deren Situation zu versetzen. Das war noch nie ein schlechter Ansatz. Das Tool „Personas“ wurde nicht zuletzt genau deswegen entwickelt. Die Unternehmer-Rolle so zu verstehen, dass der Kunde ja froh sein darf, dass er die Berechtigung erhält zu kaufen, das kann nur in den Marktabgrund führen. Präziser: führt in den Abgrund.

Was also will der Kunde? Die Leistung, die sein Bedürfnis befriedigt. Dazu formuliert er – zumeist mehr unbewusst als bewusst – eine Erwartung an das Unternehmen, welche über Marketing- und Werbeaktionen genau das verstärkt. Soweit ist alles bestens. Denn auch das sind ja schon die ersten Ausläufer eine Kundenbeziehung. Das Unternehmen macht sich interessant für einen Kunden!

Wenn nun aber das Unternehmen nicht das liefern kann, oder nicht zeitgerecht, oder in einer anderen Qualität: Dann macht es Sinn, sich zu überlegen, was man dem Kunden stattdessen anbieten könnte. Dazu zählt eine klare Transparenz, denn diese schafft das notwendige Vertrauen. Der Kunde nimmt wahr, dass er wahrgenommen wird. Dazu braucht es, wie oben angesprochen, die richtige Kommunikation nach innen und außen. Auch brauchen die Mitarbeitenden an den Schnittstellen zu den Kunden und Kundinnen die Kompetenz improvisieren zu dürfen, um sich nicht in prozessualen Absurditäten zu verlieren. Absurditäten stellen auch eine Beziehung her. Man sieht es an mir. Und wir Kunden haben ein gutes Gedächtnis. Und nicht zuletzt Multiplikatorenpotenzial; zum Beispiel im Rahmen von Blog-Artikeln.

 

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