Von Infos, Idolen und Ideen – und von Francis Bacon

Sicher kennen Sie den Spruch „Woher soll ich wissen, was ich denke, bevor ich höre, was ich sage?“.  Er soll vor allem lustig sein. Ist er auch irgendwie. Und dennoch steckt mehr Wahrheit in ihm, als man das vermutet. Seine Idole des Marktplatzes bezieht Bacon auf die Verwirrung, die durch die Sprache und die Kommunikation entsteht.

 

Von Informationen und Irreführungen – und von Francis Bacon 

Sicherlich kennen Sie Francis Bacon, oder? Aber wissen Sie auch, wie er gestorben ist und was ein Huhn damit zu tun hatte? Und wenn Sie es wissen: Können Sie sich sicher sein, dass diese Information stimmt?

Wir werden überschwemmt von Informationen; nicht neu! Und wir können schlecht einschätzen, ob diese Informationen überhaupt stimmen; auch nicht neu! Wie gehen wir mit diesen Informationen um? Einigermaßen eingeschränkt in unserem Denken; auch nicht neu und dennoch aktuell.

Mit der Berichterstattung über den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und jetzt noch aktueller mit dem Massaker der Hamas in Israel und dessen darauffolgenden Verteidigungskampf: Es ist sehr schwierig geworden; falls es jemals einfach war … Was können wir wirklich für zutreffend nehmen? Berichte der Hamas, die in Nachrichten verbreitet werden? Berichte Russlands über die Situation in der Ukraine?

Es müssen jedoch nicht immer Kriege sein. Können wir sicher sein, dass die Lidl-Flasche wirklich der Gipfel der Kreislaufwirtschaft ist, so wie Günther Jauch uns das suggeriert? Was war mit den Informationen von Wirecard, die sogar geprüft wurden und dennoch skandalös falsch waren?

Die US-Börsenaufsicht SEC hat im September 2023 festgestellt, dass die Fondsgesellschaft DWS die Bedeutung von Nachhaltigkeitsinformationen in ihren Anlageentscheidungen übertrieben positiv dargestellt und damit falsche Informationen über das eigene Handeln verbreitet hat. Natürlich nicht zufällig, dafür mit Absicht. Die Deutsche-Bank-Tochter muss eine Geldstrafe von 19 Millionen US-Dollar zahlen. 2022 musste Goldman Sachs vier Millionen Dollar wegen Greenwashing-Vorwürfen zahlen. Greenwashing: So tun, als ob und das reicht. Tut es natürlich nicht! Und sagen wir mal so: Klimaerwärmung hin, Klimaerwärmung her, heiße Sommer gab es schon immer! Mit so einer Erkenntnis lässt sich doch schnell mal eine Partei bundesweit an die 20%-Prozent-Marke und weit darüber hinauskatapultieren.

Welche Informationen sind verlässlich? Und vor allem: Wie gehen wir mit Informationen, die uns zur Verfügung gestellt werden, um? Objektiv? Subjektiv? Der oben genannte englische Philosoph Francis Bacon kann hier Licht ins Dunkel bringen, obwohl er schon seit 400 Jahren nicht mehr unter uns weilt. Wegen des Huhns. Aber diese Information haben Sie ja schon.

 

Markus Reimer Keynote Speaker Redner Information Wissen Qualität Digitalisierung Vortrag Idole Francis Bacon

Die Idole des Francis Bacon

 

Von Idolen und Interessen – und von Francis Bacon

Francis Bacon war ein Philosoph und Wissenschaftler, der als einer der Begründer der modernen empirischen Wissenschaft gilt. Dabei prägte er den unter heutigen Umständen eher eigenartigen Begriff der „Idole“ (lat. idola). Damit wollte er die vier Arten von Vorurteilen beschreiben, die das menschliche Denken und damit die Verarbeitung von Informationen beeinträchtigen. Diese Idole sind die des Stammes, der Höhle, des Marktplatzes und des Theaters. Diese in seinem Werk „Novum Organum“ beschriebenen Idole gilt es nun ein wenig näher zu betrachten und in Einklang zu bringen mit dem, was uns so tagtäglich umgibt. Nicht zuletzt ist das auch notwendig, um einen wesentlichen Grundsatz des Qualitätsmanagements zu erfüllen: Die faktenbasierte Entscheidungsfindung. Und Fakten sind Fakten. „Alternative Fakten“ ist eine Antithese und Unsinn. Was also beeinträchtigt das Aufnehmen von Fakten und was macht Informationen zu Fakten?

 

Die Idole des Stammes nach Francis Bacon

TikTok und die objektive Erkenntnis

Das „Idol des Stammes“ bezeichnet die falschen Vorstellungen, die aus der menschlichen Natur selbst entstehen und die unser Urteilsvermögen beeinträchtigen. Wir neigen dazu, die Dinge so zu sehen, wie wir sie gerne hätten, und nicht, wie sie wirklich sind. Ist es nun überraschend, dass sehr viele Social-Media-Kanäle genau das für sich nutzen? Sie liefern uns gut filtriert genau die Informationen, die unser Bild verstärken. Und so projizieren wir unsere Wünsche, Hoffnungen, Ängste und Vorurteile auf die von uns vorgefasste und natürlich so bestätigte Welt und lassen uns sodann von ihnen leiten. Alles andere wäre subjektiv gesehen ja auch Humbug!

Bacon, ein Verfechter der Wissenschaft und damit der objektiven Erkenntnis, wollte die Idole des Stammes überwinden. Er wollte zu einer objektiven Erkenntnis der Natur gelangen und forderte, dass wir unsere Sinne schärfen, unsere Vernunft gebrauchen und systematisch experimentieren, um die Gesetze der Natur zu entdecken. Das war vor 400 Jahren – ohne TikTok, X und sonstige Plattformen der individuell vorsortierten Informationsüberflutung mit Nachrichten, Meinungen, Fakten und Fiktionen. Somit ist es heutzutage unendlich schwierig, vielleicht schwieriger denn je, „die Wahrheit“ zu erkennen, die richtigen Quellen zu finden, zu prüfen und zu bewerten. Die falsche Lösung: Wir glauben das, was uns gefällt oder was unserer Weltanschauung entspricht. Wir ignorieren oder leugnen die Fakten, die uns nicht passen oder die uns herausfordern. Wir hinterfragen, wir reflektieren nicht mehr.

 

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Idole in Blasen und Silos

Übertragen wir das auf ein sinnvolles Wissensmanagement und auf das, was daraus folgen soll, nämlich Entscheidungen und Handlungen, dann ist das wirklich nicht die beste Voraussetzung. Wir befinden uns gesellschaftlich, kulturell in der „Blase“; im organisationalen Kontext wird gerne von „Silos“ gesprochen.

Das Idol des Stammes kann uns somit sehr wirkungsvoll davon abhalten, neue Perspektiven zu erkennen, kreative Lösungen zu finden oder friedlich miteinander zu kommunizieren. Wir sollten daher immer versuchen, das Idol des Stammes zu überwinden, wir sollten kritisch sein, offen für andere Meinungen und Erfahrungen, wir sollten mutig und neugierig sein, aber auch vorsichtig mit unseren Schlussfolgerungen. Jeder und jede möge sich selbst fragen, inwieweit und in welchem Umfang das einem selbst gelingt.

 

Die Idole der Höhle nach Francis Bacon

Liest man von Philosophie und Höhlen, dann ist Platon nicht weit. Das ist hier bei Bacon nicht anders. Die Idole der Höhle beruhen auf individuell zu erklärenden Makeln, wie der Erziehung, der Stimmung, dem fehlleitenden Umgang mit anderen Menschen sowie Büchern und sonstigen immateriellen Werten. Jeder Mensch hat seine ihm eigentümliche, von falschen Vorstellungen mehr oder weniger stark beeinflusste Auffassungsweise. Jeder sitzt in seiner eigenen, von seinen individuellen Vorurteilen und Irrtümern geprägten „Höhle“, in die das Außenlicht nur getrübt und verdunkelt eindringt. Platons Höhlengleichnis lässt grüßen.

Bacon bezieht sich hier nun – im Gegensatz zu den Idolen des Stammes – nun auf den einzelnen Menschen. Jeder Mensch handelt aufgrund seiner individuellen Voraussetzungen zwar anders, aber dann doch in bestimmten ihm eigenen Mustern. Diese Muster, diese Höhlen mit den eigenen eingefahrenen Denkweisen führen zu einer eigenen, subjektiven Zuordnung der zur Verfügung stehenden Informationen. Die einen Menschen handeln eher oberflächlich, die anderen detailverliebt; die einen eher emotional, die anderen eher rational; die einen neugierig-experimentierfreudig, die anderen traditionell-konservativ. Und so weiter.

So wäre auch hier eine kritische Prüfung der eigenen Annahmen und eine ständige Korrektur der eigenen (Vor-)Urteile notwendig. Bacon fordert eine Offenheit für neue Erkenntnisse und eine Bereitschaft, sich von eigenen alten Vorstellungen und Verzerrungen zu lösen. Auch das erfordert wieder die Selbstreflexion. Sie zeigt uns vielleicht auf, dass wir nicht einfach unseren eigenen Meinungen oder Gefühlen vertrauen können. Die Selbstreflexion fordert uns auf, uns nicht in unserer eigenen „Höhle“ zu isolieren, nicht immer die gleiche Brille aufzusetzen, sondern uns mit anderen Perspektiven und Erfahrungen auseinanderzusetzen. Und wer kennt sie nicht, die „Weiß ich schon“-, die „Kenn ich schon“-, die „Hatten wir schon“- oder die „Was denn jetzt schon wieder“-Menschen?

 

Die Idole des Marktplatzes nach Francis Bacon

Sicher kennen Sie den Spruch „Woher soll ich wissen, was ich denke, bevor ich höre, was ich sage?“. Er soll vor allem lustig sein. Ist er auch irgendwie. Und dennoch steckt mehr Wahrheit in ihm, als man das vermutet. Seine Idole des Marktplatzes bezieht Bacon auf die Verwirrung, die durch die Sprache und die Kommunikation entsteht, wie die Mehrdeutigkeit, die Rhetorik oder die Manipulation. Im Grundsatz sind wir davon überzeugt, dass die ausgesprochenen Worte unserem vorgeschalteten Denken folgen. Das ist natürlich auch so. Jedoch gilt es auch anzuerkennen, dass unsere ausgesprochenen und damit die uns zur Verfügung stehenden Worte auch unser nachgeschaltetes Denken beeinflussen. Bacon hat das erkannt.

Er stellte fest, dass die Menschen oft Wörter verwenden, die nicht klar definiert oder mehrdeutig sind, und dass sie sich auch von rhetorischen Tricks oder Autoritäten beeinflussen lassen. Und auch an dieser Stelle können wir in die Gegenwart schauen und uns die Marktplätze der politischen Parteien und deren Kommunikation betrachten. Mit Erstaunen betrachten. Wir sind immer noch anfällig für sprachliche Verwirrungen, Manipulationen oder Missverständnisse.

Wir müssen uns bewusst sein, dass die Wörter, die wir verwenden, nicht immer die Realität widerspiegeln, sondern oft unsere eigenen Vorannahmen oder Interessen. Der berühmte „Wirtschaftsflüchtling“ oder „Asyltourist“ sind bezeichnende Beispiele dafür. „Sprache schafft Wirklichkeit“ ist nicht nur eine theoretische Erkenntnis. Der britische Philosoph John Langshaw Austin hat dies 1962 in seinem Buch „How to do things with words“ dargelegt: Sprache beschreibt nicht nur, was ist, sondern beeinflusst auch, was geschieht, indem sie Handlungen vollzieht.

Auch das gilt es in Organisationen zu beachten, wenn es um die Organisationskultur, die Organisation des Wissens oder um Innovationen geht. Sprache schafft Wirklichkeit: „Wir können es ja probieren, aber klappen wird es eh nicht!“ Nun ja.

 

Die Idole des Theaters nach Francis Bacon

Nach der menschlichen Veranlagung (Stamm), der Erziehung und Sozialisation (Höhle) und der Gesellschaft im Allgemeinen (Marktplatz) geht Bacon nun den Schritt hin zu Traditionen, Konventionen und Theorien. Er bezog sich dabei auf die falschen oder irreführenden Lehren, die von Philosophen, Theologen oder anderen Autoritäten verbreitet werden. Die einen oder anderen Politikerinnen und Politiker spielen hier sicher auch eine entscheidende Rolle; aber sicher auch Unternehmerinnen oder Vorstandsvorsitzende von Konzernen.

Gehen wir in die Gegenwart der Unternehmenskontexte, so drängen sich zum Beispiel Theorien wie die „Agilität“ oder „New Work“ auf. Was sind das? Es sind Denk- und Sichtweisen, die es vor und in der Umsetzung zu hinterfragen gilt. Übernehmen wir sie, weil sie modern scheinen, weil andere „da auch was machen“, dann kann das nur schiefgehen. Die eigene Aktion, das eigene Ansinnen, es wird zum Theater! Wir tun einfach mal so als ob …

 

Idole, Ideen und Innovationen – ein Fazit

Wir sind immer und überall auf Informationen angewiesen. Aus diesen Informationen gilt es Wissen zu formen: Wissen, das wir haben und Wissen, das wir brauchen. Aber dazu müssen wir die Informationen, die wir erhalten und erhalten könnten, einordnen können. Die vier Idole nach Francis Bacon helfen uns dabei, eigene Einschränkungen aufzuspüren, sie bewusst wahrzunehmen und sie dann zu überwinden. Die notwendige „objektivere Erkenntnis“ dürfte die logische Konsequenz sein.

Um Ideen zu generieren, braucht es, brauchen wir eine maximal uneingeschränkte Perspektive. Schaffen wir es in unseren Organisationen, diese benannten vier Filter und geistigen Sortieranlagen bestmöglich auszuschalten, dann können wir multiperspektivisch aus Informationen Ideen generieren, die sich vielleicht zu Innovationen entwickeln. Francis Bacon hat uns mit seinen Idolen den Weg bereitet für ein besseres Wissensmanagement und für ein besseres Qualitätsmanagement. Vor allem aber auch für eine bessere Gesellschaft und besseres Zusammenleben.

 

Das Huhn des Francis Bacon – ein Bilderbuchbeispiel

Apropos Idee und Innovation: An einem Wintertag ist Francis Bacon mit seinem Stalljungen auf einem Schlitten unterwegs. Dabei überfahren sie versehentlich ein Huhn. Obwohl Bacon schon seit längerer Zeit krank ist, hat er an dieser Stelle eine Idee und er steigt aus dem Schlitten in den Schnee. Er stopft das tote Huhn mit Schnee aus und nimmt es mit. Seinen Stalljungen beauftragt er, das Huhn täglich mit neuem Schnee zu füllen und ihm dann zu berichten. Seine Idee: Schnee, also Kälte, könnte vielleicht die Verwesung eines Leichnams verzögern.

Durch den erfolgten intensiven Schneekontakt verschlechtert sich aber im Anschluss der Zustand von Bacon sehr stark und er stirbt wenig später. Der Stalljunge führt zwar das Experiment fort und er will mehreren Leuten sein erfolgreiches Ergebnis des Experiments anvertrauen. Doch die Erkenntnis des „Einfrierens“ durch den Stalljungen wird ignoriert. Was soll ein Stalljunge schon wissen? Womit wir wieder bei den Idolen des Francis Bacon wären …

Hören wir also unfiltriert zu!

Es könnte sich, es wird sich lohnen!

 

 

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Dr. phil. Markus Reimer ist Keynote-Speaker und Lead Auditor für Managementsysteme.