Selfmanagement by probleme – 10 Grundregeln

Gastartikel von Gerhard Weidemann (Erstveröffentlichung 06/2000):

 

Ungelöste Probleme sind das tägliche Brot einer Leitungskraft – ohne fürchtet sie zu verhungern!

Die Lösung von Problemen als Hauptaufgabe von Manager(inne)n und Leiter(inne)n ist das Generalthema der modernen Managementliteratur. Wie wichtig die Erfüllung dieser Aufgabe auch sein mag, vernachlässigt doch der ideologisierende Fokus auf die Lösung von Problemen die Bedeutung, die diese überhaupt nur solange entfalten, solange sie ungelöst sind.

Die besondere Bedeutung ungelöster Probleme liegt vor allem anderen darin, Inhaber(innen) von Leitungs- und Führungspositionen Charisma und Unentbehrlichkeit zu verleihen. Was bliebe von ihnen übrig, wenn alle Probleme gelöst wären???

 

Ansehensverlust, der tiefe Fall in die Bedeutungslosigkeit, Langeweile und Depression sind die unweigerlichen Folgen, wenn Leitungskräfte

„Die zehn Grundregeln für Rechthaber und Bedenkenträger“

nicht beherrschen.

Die zehn Regeln finden bei jeglicher Art von Sitzungen und Besprechungen Anwendung, bei denen von profilierungssüchtigen Zeitgenossen die abschließende Beratung über offene Fragen und Probleme angestrebt wird.

 

  1. Jeder konstruktive Beitrag zur Klärung einer offenen Frage ist ein Angriff auf Deine persönliche Integrität und als solcher schärfstens zurückzuweisen.

 

Wer vorgibt, auf bisher nicht gelöste Fragen konstruktive Antworten zu haben, bezweckt nichts anderes, als die den Eindruck zu erwecken, gegenüber der Leitung einen Kompetenzvorsprung zu besitzen.

Für die Dosierung der Gegenreaktion kommt es nicht im Mindesten darauf an, was der Inhalt der Argumentation ist. Entscheidend ist vielmehr das Ausmaß der Gefahr einer endgültigen Lösung. Insbesondere, wenn die propagierte Lösung ein Abweichen von der seit Jahrzehnten bewährten Leitungsroutine impliziert, sollte es an Schärfe nicht fehlen, mit der bisherige Verdienste in das rechte Licht gerückt werden.

 

  1. Wann immer die Gefahr auftaucht, daß auf eine offene Frage eine Antwort gefunden werden könnte und die Beratung ein positives Ende zu finden droht, verweise darauf, daß damit noch lange nicht alle Probleme gelöst sind.

 

Niemand kann es einer Leitungskraft verübeln, wenn sie über den Tag hinaus zu denken in der Lage ist und ihrer besonderen Verantwortung dadurch gerecht wird, daß sie auf Gesichtspunkte aufmerksam macht, die sich einer subalternen Sichtweise in der Regel verschließen.

Ist es nicht gerade diese besondere Fähigkeit, die die Inhaber(innen) einer Leitungsfunktion legitimieren?

Im rechten Augenblick auf bislang noch nicht ausreichend gewürdigte Aspekte zu verweisen ist also unter allen Umständen  ein angemessener Beitrag zu jeglicher Diskussion, der stets geeignet ist, die Organisation und das Unternehmen davor zu bewahren, dem Chaos und der Anarchie zum Opfer zu fallen.

 

  1. Wenn der Moderator während der Beratung um Rückmeldung bittet, ob der erreichte Diskussionsstand konsensfähig ist oder ob noch Verständnisfragen beantwortet werden müssen, sage um himmelswillen NICHTS!

 

Erfahrungsgemäß kann nur in seltenen Fällen darauf gebaut werden, dass Moderatoren, dies gilt insbesondere für externe Berater, die besonderen Interessen von Leitungskräften erkennen und angemessen berücksichtigen. Mit der modischen Begründung, eine effiziente Diskussionsleitung anzustreben, wird häufig versucht, die Beratungszeit ungebührlich zu verkürzen.

Zu diesem Zweck erfreut sich ein Verfahrenstrick großer Beliebtheit, der von allen Moderationstheorien angewendet wird: Es wird bei jeder sich bietenden Gelegenheit versucht, die Zustimmung aller Teilnehmer zum erreichten Diskussionsstand zu erschleichen. Eingeleitet wird diese Strategie in der Regel mit der Frage, ob die bislang behandelten Inhalte von allen verstanden worden sind.

Es bedarf großer Wachsamkeit, dieser Taktik nicht zum Opfer zu fallen. Eine unbedachte Zustimmung zum falschen Zeitpunkt kann es später unmöglich machen, die zur Wahrung übergeordneter Interessen notwendige Ablehnung zu begründen.

 

  1. Wenn es sich nicht vermeiden ließ, daß ein Teil oder sogar alle Fragen, mit denen Du in die Beratung gekommen bist, beantwortet wurden, merke an, daß man sich viel Zeit und ärgerliche Diskussion hätte sparen können, wenn das alles bereits im Vorfeld klargestellt worden wäre.

 

Mitunter kann es vorkommen, daß die zum Beginn einer Beratung gesammelten Fragen nicht ausreichen, um eine Einigung noch während der Sitzung zu verhindern. Falls es dann außerdem nicht gelungen ist, den Moderator zu diskreditieren oder ihn mit anderen Mitteln an der Ausübung seines zweifelhaften Amtes zu hindern, droht ernste Gefahr.

Um Schlimmeres zu verhüten hat es sich in solchen Situationen bewährt, mit der Autorität und dem Weitblick, der nur Leitungskräften zu eigen ist, eine Zwischenbilanz zu ziehen. An Hinweisen, wie nötig die bisherige Beratungszeit für wirklich wichtige Leitungsaufgaben gewesen wäre, sollte es hierbei auf keinen Fall fehlen.

Selbst bei hartgesottenen Führungsnachwuchskräften und fehlgeleiteten Anhängern teurer Effizienz-Gurus kann darauf gebaut werden, daß es ihnen nicht gelingt zu verhindern, daß damit ein zusätzliches Diskussionsthema eingeführt wird, und sei es auch nur, um die moralische und professionelle Integrität der übrigen Diskussionsteilnehmer zu verteidigen.

Mit etwas Glück läßt sich hierfür so viel Zeit verbrauchen, daß das eigentliche Thema vertagt werden muß. Zeit genug, um neue Argumente zu sammeln.

 

  1. Wenn die Diskussion ins Stocken gerät, oder sich im Kreise dreht, wiederhole ausführlich Deinen bisherigen und allen Teilnehmern bekannten Standpunkt und vermeide konstruktive Beiträge, die die Situation zu entschärfen drohen.

 

Unbedingt als Erfolg ist zu verbuchen, wenn die Diskussion nicht recht voran gehen will. Gleichwohl sollte auch in dieser Situation engagiert eingegriffen werden, um die Gefahr konstruktiver und erkenntnisversprechender Winkelzüge des Moderators zu bannen.

Gut bewährt hat sich zu diesem Zweck die nimmermüde Erinnerung der Teilnehmer(innen) an den allzugut bekannten Standpunkt der Leitung, der gerne um bisher noch ausreichend berücksichtigte Aspekte angereichert werden kann.

 

  1. Verwickle in der Kaffeepause den Moderator in ein vertrauliches Seitengespräch und bitte ihn in Anbetracht Deiner knappen Zeit, mit den Kritikern härter ins Gericht zu gehen, damit er zielstrebiger sein Ziel verfolgen kann.

 

Empfindliche Naturen, die es bisweilen unter Moderatoren und externen Beratern geben soll, sind gelegentlich in ihrem Begeisterungsvermögen für die Weitsicht eines so agierenden Leiters eingeschränkt.

Kaffeepausen bieten hervorragende Gelegenheit, diesem Unvermögen abzuhelfen. Vertrauliche Aufmunterung eines ob des schleppenden Fortganges frustrierten Moderators kommt bei diesem immer gut an, besonders wenn sie mit lange vermißten Hinweisen angereichert wird, wie er seinen Job noch besser erfüllen kann. Das schafft Nähe und Vertrauen, wie es nur unter besonderen Verantwortungsträgern möglich ist.

 

  1. Wenn sich die Beratung dem Ende zuneigt, melde Dich zu Wort und merke an, daß die vielen Wiederholungen bekannter Standpunkte soviel kostbare Zeit beansprucht haben, daß Deiner Ansicht nach heute nicht mehr mit einer gründlich überlegten Lösung der Probleme gerechnet werden darf.

 

Übereifrige Diskussionsteilnehmer neigen besonders dann zu konsensfördernden Beiträgen, wenn die Situation eine Einigung ohne Vertagung gerade noch möglich erscheinen läßt. Eigene Bedenken werden dann leichtfertig zurückgestellt und fremde Standpunkte in unverantwortlicher Weise respektiert.

Wohl der Runde, die dann auf die Routine einer erfahrenen und weitblickenden Leitungskraft zurückgreifen kann. Um oberflächliche und wohlfeile Kompromisse zu verhindern, unter denen das Tagesgeschäft lange zu leiden haben würde, ist es hier geboten, einen kritischen Blick auf den bisherigen Verlauf der Veranstaltung zu werfen. Er wird bei den Teilnehmer(inne)n für die nötige Demut sorgen und den Übermut dämpfen, der ansonsten die Diskussion mit einer Einigung zu beenden droht.

 

  1. Wenn die Beratung dennoch einen positiven Ausgang zu nehmen droht, merke kritisch an, daß man bei besserer Vorbereitung und mit etwas mehr Gesprächsdiziplin diese Ergebnis bereits Stunden früher hätte erreichen können.

 

In seltenen Fällen, häufig dann, wenn die Runde besonders ehrgeizigen und profilneurotischen Nachwuchskräften zuviel Raum läßt, ist es darüber hinaus erforderlich, die wegweisende Kritik noch deutlicher zu formulieren.

Auf diesem Wege bietet sich den Teilnehmer(inne)n eine hervorragende Gelegenheit, von dem scharfen analytischen Blick und der Fähigkeit zu entschiedenen Stellungnahmen, über den nur eine Leitungskraft verfügt, in seltener Intensität zu profitieren.

 

  1. Wenn sich der positive Verlauf der Beratung auch dadurch nicht mehr korrigieren läßt, verweise darauf, daß Du dir die Zeit aus Deinem ohnehin überfüllten Terminkalender hast stehlen müssen, und brich mit dem Ausdruck Deines tiefen Bedauerns rechtzeitig vor der endgültigen Einigung zu einem unaufschiebbaren Termin auf.

 

Gelegentlich erweisen sich die Teilnehmer(innen) von Problemberatungen als resistent gegen den behutsamen und klugen Einfluß der Leitung auf den Weg und die Geschwindigkeit der Klärung.

Hier gilt es ein letztes klares Zeichen zu setzen. Wo subtile Signale nicht verstanden werden hilft nur noch die abrupte Unterbrechung, um den Heißspornen Zeit für Einkehr und Besinnung zu verschaffen.

 

  1. Wenn Du den richtigen Zeitpunkt für einen vorzeitigen Aufbruch verpaßt hast, vergiß nicht, in Deiner Abschlußstellungnahme Deine Genugtuung über das positive Beratungsergebnis zu äußern.     Beschließe jedoch Deine Äußerung mit dem energischen Zweifel, daß die gefundene Lösung Bestand haben wird, und behalte Dir vor, das Thema demnächst erneut zur Diskussion zu stellen.

 

Es ist das Privileg und geradezu die Berufung einer Leitungskraft, Bedenken und Vorbehalte zu formulieren, auf die sonst niemand kommt.

 

Bei Beherzigung der vorgenannten zehn Regeln werden Sie keine Mühe haben, besserwisserische externe Berater in ihre Schranken zu verweisen und ihre eigene Position in all ihrer Unentbehrlichkeit im Bewußtsein ihrer Mitarbeiter(innen) und Kolleg(inn)en dauerhaft zu verankern.

Gutes Gelingen!

 

Der Autor

Gerhard Weidemann
Unternehmensberatung
Senior-Auditleiter der DQS
IBEC/TQM Assessor
Am Kalkberg 13
D-38302 Wolfenbüttel
Tel.  05331 .. 887288
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