Die Currywurst im PESTEL-Universum

„Die PESTEL-Analyse deckt Potenziale auf. Ein Schritt könnte sein, beim Kunden einfach nur noch die Erinnerung an die Currywurst einzupflanzen mithilfe von augmented reality. Das schont dann wirklich alle Ressourcen, ist vegan, ist mobil, ist gesund, ist eigentlich alles – außer Currywurst.“

 

Was ist hier los?

Neben meinem Lieblingsgericht Käsespätzle liebe ich auch die Currywurst. Diese ist zwar ähnlich ungesund, schmeckt aber trotzdem. Und so blicke ich immer wieder auch auf die berühmte Currywurstbude in Köln, direkt am Rhein, den Dom im Hintergrund. Dort dinieren des Öfteren Max Ballauf und Freddy Schenk. Es hat auch immer etwas Friedliches. Es ist ruhig. Die Bude, Max und Freddy und sonst nicht viel.

Doch der Schein trügt. Eine Currywurstbude, egal ob am Rhein oder an der Düssel, ist nie alleine. Sie befindet sich immer in einem großen Ganzen. Und wen interessiert das nun? Uns alle. Es muss uns alle interessieren. Nehmen wir das große Ganze. Das sieht mittlerweile auch die Mutter aller Managementnormen verpflichtend so vor: Sich ums große Ganze kümmern zu müssen! (Siehe hierzu ISO 9001:2015 – Ein Fest)

 

Was ist hier los??

Die USA mit seinen Verbündeten Großbritannien und Frankreich haben einen Militärschlag gegen Syrien angekündigt und durchgeführt. Syrien hat zusammen mit Russland gegen seine eigene Bevölkerung Giftgas eingesetzt. So sagt man. Trump sagt das. Andere sagen das auch. Also wird etwas getan. Deutschland befürwortet das, macht aber nicht mit. Theoretisch könnte es uns allen, also den USA, Großbritannien, Frankreich und auch uns egal sein. Giftgas in Syrien? Es ist nicht unser Thema, nicht an unserer Currywurstbude … weit gefehlt. Wir bewegen uns immer in einem größeren Kontext. Also: Was ist hier los?

Wenn wir diese Frage aufs große Ganze ausrichten, dann werden sich sehr schnell einige Notwendigkeiten auftun. Sich die Frage zu stellen „Was ist hier los?“ ist somit an sich schon eine Notwendigkeit, um Notwendigkeiten erkennen zu können. Gehen wir den Schritt zu den sich ergebenden Optionen, dann sind wir im Bereich der Innovation. Und auch dieser ist mittlerweile viel mehr Notwendigkeit als Kür.

 

Was kann passieren?

Die einfachste Möglichkeit zu agieren ist, möglichst viele Currywürste zu verkaufen. Das steigert den Umsatz und wahrscheinlich auch den Gewinn. Das ist nicht zwingend so, auch wenn einige Unternehmen das immer wieder meinen. Aber grundsätzlich könnte das schon klappen. Alles, was neben dem Verkauf der Currywurst stattfindet, könnte uninteressant sein. Aber dann wäre es zum Beispiel keine exzellente Currywurstbude. Es wäre nur irgendeine und vielleicht auch eine bald nicht mehr existierende. Und das gilt es grundsätzlich für jede Organisation zu verhindern.

Ob Currywurst, Auto, Gemüse oder Flugzeugträger: Hersteller sollten sich immer Gedanken um das große Ganze machen. Nur so kann langfristig erfolgreich, für alle nachhaltig und damit auch exzellent agiert werden. Denn exzellente Organisationen berücksichtigen neben ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit immer auch ihre gesellschaftliche Solidarität und ökologische Verantwortung. Also muss der Blick über die verkaufte Currywurst hinausgehen und die Frage gestellt werden: „Was kann passieren?“. Antworten auf die Fragen nach der gesellschaftlichen Solidarität und der ökologischen Verantwortung zu finden bedarf einer genaueren und am besten systematischen Betrachtung der Frage. Sich nur die Belange von Max, Freddy und der Currywurst anzuschauen reicht nicht aus.

Womit wir bei der nicht wenig, aber trotzdem nicht überall bekannten PESTEL-Analyse wären: Wo steht unsere Currywurstbude? Sie steht nicht nur am Rhein.

 

PESTEL – P wie politisch

Die PESTEL-Analyse ist ein Modell, welches viele Faktoren systematisch berücksichtigt. Wobei aber klarzustellen ist, dass nicht alle Faktoren auf eine Currywurstbude zutreffen.

Die erste Dimension, die es zu betrachten gilt, ist die politische. Kann es sein, dass unser Imbiss am Rhein sich in politischen Relevanzen befindet? Selbstverständlich, und das ist nicht verwunderlich. Sich abzeichnende Gesetze, politische Stabilität, mögliche und tatsächliche Subventionsmöglichkeiten, Steuern oder auch im ganz großen Kontext: Einfuhrverbote zum Beispiel für Curry. Das alles gilt es von Zeit zu Zeit mit zum Beispiel einer PESTEL-Analyse zu beleuchten, um nicht überrascht und vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden.

Was also, wenn sich Curry nicht mehr so leicht oder nur noch sehr teuer beschaffen lässt? Ist das nicht spätestens der Zeitpunkt, an dem man sich Gedanken über Alternativen zu Curry macht? Neue Möglichkeiten sucht? Und wer weiß: Vielleicht ergibt sich aus dem Mangel an Curry ein neues Unternehmen. Eine Kreuzblütengewächswurstbude, also irgendetwas mit Meerrettich? Sollten Max Ballauf und Freddy Schenk darauf Lust haben – sie würden es weitererzählen und es könnte ein Erfolg werden. Es würde ein Differenzierungsmerkmal werden. Und dann sprechen wir nicht mehr nur von einer Idee, sondern von einer Innovation; einer Innovation, geboren aus politischen Kontexten heraus. Schlussendlich: Was politischer Kontext bedeutet beweist ein einziger Name eindrucksvoll – nahezu täglich: Trump.

 

PESTEL – E wie ökonomisch – Teil 1

Die Ökonomie, engl. economic, spielt auch in unserem Unternehmen am Rhein eine nicht unwesentliche Rolle. Das ist die Dimension, die sich sozusagen im Blickfeld eines jeden Unternehmers befindet. Aber auch hier gilt es etwas weiter zu denken als nur an den derzeitigen (Absatz-)Markt. Dieser scheint zwar über Max und Freddy einigermaßen gesichert zu sein. Aber eben nicht ausnahmslos. Denn obwohl sie könnten, so kommen sie doch nicht jedes Mal an den mobilen Tresen am Rhein. Die Einführung einer Flatrate – also einer stets sicheren Einnahme, allerdings auch bei unsicherem Aufwand – wäre ein neues Business Modell. Oder eine Mitgliedschaft? Currywurstbuden Business Model Innovation …

Die ökonomische Dimension umfasst auch Fragen nach Wechselkursen, die bei exportorientierten Unternehmen von großer Bedeutung sind. In dieser Hinsicht können wir uns mit unserem Imbiss am Rhein zurücklehnen: Der Export hält sich in Grenzen; wenn überhaupt, dann noch über den Rhein. Aber selbst das ist schon ein Politikum. Siehe hierzu weiter unten unter Soziokulturelle Faktoren.

 

PESTEL – E wie ökonomisch – Teil 2

Was uns jedoch sehr wohl wieder treffen kann: Die Inflation. Eine Currywurst verliert bei einem Preis von 29,90 Euro ihre Attraktivität. Oder: Die Anhäufung unseres Gewinns bei einem niedrigen Zinsniveau kann die Überlegung zu investieren attraktiv machen. In neue Produkte, wie zum Beispiel Currykugelfische; in neue (Im-)Mobilien, wie zum Beispiel eine Currywurstyacht; in neue Standorte, wie zum Beispiel am anderen Rheinufer – jedoch gilt es realistisch zu bleiben. Unternehmergünstige Steuersysteme lassen vielleicht die Currywurstbude in Irland attraktiv erscheinen, aber diese bringt dann das Problem der Wurstlogistik zu Max und Freddy am Rhein mit sich.

Weitere ökonomische Faktoren sind die Einkommen der Menschen und die damit zusammenhängende Kaufkraft, die Aussicht auf die Zukunft durch die Konjunktur oder der Arbeitsmarkt: Wie kann ich mich mit meinem Imbiss in Zeiten des Fachkräftemangels attraktiv machen für die besten Currywurstbrater und -verkäufer in Town? Sowohl der obligatorische Kicker, als auch der unternehmensinterne Fitnessbereich hat in der Currywurstbude sehr überschaubare Grenzen der Verwirklichung. Hier ist in der Tat Innovation zur Arbeitgeberattraktivität gefordert.

 

PESTEL – S wie soziokulturell

Wird der Imbiss mit der besonders leckeren Currywurst aus den besten Kuhteilen in einem eher hinduistisch geprägten Stadtviertel betrieben, ist der Erfolg des Unternehmens einigermaßen gut vorhersehbar. Es gilt daher die soziokulturellen Einflussfaktoren im Rahmen der PESTEL-Analyse genauso zu betrachten. In Köln zählt dazu auch die Beachtung des Unterschieds zwischen linkem und rechtem Rheinufer.

Weiter zählt auch, dass nicht jeder potenzielle Kunde die Sprache von Max und Freddy spricht oder diese lesen kann. Ebenso könnte es aber sein, dass die Gesellschaft sich Richtung vegan und vegetarisch und ernährungsbewusst entwickelt. Welch eine Vorstellung für einen Currywurstbudenunternehmer! Es muss die vegane Currywurst her! Eine Innovation, die es mittlerweile in jedem Supermarktregal zu kaufen gibt – so absurd es auch klingt. Doch so funktioniert Innovation. Erst einmal scheint und ist es absurd. Wenn es aber die Umstände erfordern, dann kann aus der Absurdität schnell ein Erfolg werden.

Die alternde Gesellschaft führt unter Umständen dazu, dass ich meine Bude durch die Straßen ziehe, um ältere nicht mehr ganz so mobile Menschen mit meiner eigenen Mobilität zu erreichen. Gut, dass Mobilität immer zwei Perspektiven hat. Das Problem dabei ist nur, dass dann Max und Freddy am currywurstbudenfreien Rheinufer stehen und Hunger haben. Also muss eine andere Lösung her. „Klingeling. Essen ist daaa!“ Vielleicht gilt es die Innovationen von anderen zu nutzen, indem Kooperationen eingegangen werden. Die PESTEL-Analyse fordert dazu auf, sich aller möglichen Perspektiven zu bedienen.

 

PESTEL – T wie technologisch – Teil 1

Technologische Entwicklungen gibt es nahezu täglich in den beeindruckensten Formen. Nicht nur, dass die Wurst auch induktiv gebraten werden kann; auch die Bestellformen sind völlig anders. Die entsprechenden Informations- und Kommunikationstechnologien führen dazu, dass jede einzelne Currywurst mittlerweile eine Verbindung zum Internet haben kann und vielleicht auch sollte. Bestellt wird mittels einer eigenen Currywurstbuden-App, die es auch übernimmt, via Blockchain mit Bitcoins zu zahlen.

Die Auswertung der gesammelten Daten führt dazu, dass der Currywurstbudenunternehmer genau vorhersagen kann, dass Freddy und Max heute um 16:59 Uhr an den Tresen kommen und jeweils eine Wurst aus Schwein, jedenfalls nicht vegetarisch oder vegan, zusammen mit einem leckeren Pils bestellen werden. Der innovative Currywurstbudenbetreiber wird jedoch durch Prescriptive Analytics in Zukunft dafür sorgen, dass die Beiden wie auch alle anderen Kunden demnächst nur noch vegane Würste essen werden. Das kanalisiert die Beschaffung, reduziert die Kosten und schafft Effizienz.

 

PESTEL – T wie technologisch – Teil 2

Ziel ist es dann, die Wurst zukünftig nur noch per App bestellen zu lassen und dann den Bestellern die entsprechenden Currywurstdaten zu schicken, so dass diese sich die Wurst am eigenen 3D-Drucker selbst ausdrucken können. Dies macht dann das Umherziehen der eigenen Bude und auch das „Klingeling. Essen ist daa“ überflüssig. Über geschicktes Affiliate-Marketing kann jeder Kunde auch einen 3D-Drucker über die Currywurstbuden-App erwerben.

Der beabsichtigte nächste Schritt ist dann, beim Kunden einfach nur noch die Erinnerung an die Currywurst einzupflanzen mithilfe von augmented reality. Das schont dann wirklich alle Ressourcen, ist vegan, ist mobil, ist gesund, ist eigentlich alles – außer Currywurst. Das ist kollateral. Der technologische Fortschritt ist Innovation pur – er ist ein Segen. Für alle!

 

PESTEL – E wie ökologisch

Die ökologische, engl. ecological, Dimension nimmt dankenswerter Weise immer mehr an Fahrt auf. Immer weiter steigende Emissionen, nicht nur bezogen auf Luft, sind mittlerweile ein anerkanntes, vieldiskutiertes und (meistens) ein handlungsleitendes Problem. Handlungsmöglichkeiten von Unternehmen und damit auch von Currywurstbudenbetreibern werden durch sie eingeschränkt. Siehe hier zum Beispiel die Ausführungen zum Thema Umweltleistungen“ nach ISO 14001:2015)

Jedoch sollte jedes exzellente Unternehmen darauf auch selbst achten: Woher kommt meine Currywurst? Welche Inhalte befinden sich in ihr? Wer hat an der Produktion mitgewirkt? Welcher logistische Aufwand ist notwendig, um die Currywurst auf meinen Grill zu bringen?

Oder wie grille ich meine Wurst? Mit Feuer, Gas, Strom oder lege ich sie einfach nur in die Sonne und mache genau damit Werbung als die grünste Currywurstbude, die es jemals am Rhein gegeben hat? Wenn Max und Freddy genau darauf Wert legen, dann sind sogar die beiden wichtigsten Kunden mit an Bord.

Das Solardach auf der Bude ist vielleicht nicht mehr die Innovation schlechthin, aber im Sinne der gesellschaftlichen Entwicklung hin zu einem hohen Energiebewusstsein, kann das neben der veganen Wurst ein weiteres Zeichen sein. Dass dabei Umweltauflagen beachtet werden müssen, wie zum Beispiel das Fritteusenfett nicht einfach in den Gully oder Rhein zu kippen zu dürfen, ist eine notwendige, aber keine außergewöhnliche und bewundernswerte Umweltleistung.

 

PESTEL – L wie gesetzlich

Die gesetzliche, engl. legal, Dimension, wird im Rahmen der PESTEL-Analyse oftmals auch weggelassen, da diese eine Selbstverständlichkeit darstellt. Gesetze, wie Kartell-, Arbeits- oder Produkthaftungs- und Gewährleistungsrecht, sind gültig und sie müssen beachtet werden. Hier gibt es (eigentlich) keine Spielräume.

Es ist jedoch von Vorteil zu beobachten, welche Veränderungen sich in gesetzlicher Hinsicht ergeben könnten, um darauf vorbereitet zu sein. Die Datenschutzgrundverordnung ist gegenwärtig im Frühjahr 2018 so ein Fall. Inwieweit bin ich mit meinem Imbiss in der Lage, die bisher eingesammelten Daten über Max Ballauf und Freddy Schenk im Sinne dieser Verordnung sicher handzuhaben? Dies wird mit der Vision der App-Bestellungen, mit oder ohne „Klingeling. Essen ist daa“, und dem Wurst- oder Kugelfischdatentransfer zum 3D-Drucker einen anderen Stellenwert einnehmen. Darauf gilt es vorbereitet zu sein. Es ist nicht einfach.

In diesem Fall ist es dann ganz gut, PESTEL-Analyse hin, PESTEL-Analyse her, dass sich der Betreiber von Freddys und Maxens Currywurstbude darüber keine Gedanken machen muss. Denn die Bude gibt es nicht. Sie ist nur ein fester Bestandteil einer Geschichte und wird ausschließlich nur für jeden Köln-Tatort dort am Rhein aufgestellt. Das macht die Sache – zumindest da – einfach.

 

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Dr. phil. Markus Reimer ist Keynote-Speaker und Lead Auditor für Managementsysteme.