Lehrer-Leistung – Jetzt wird zurückgemessen!

Noch interessanter wird es sicher, wenn man bei Schülern die erfolgreiche Ehrfurcht vor Gott oder die gestiegene Aufgeschlossenheit für alles Wahre, Gute und Schöne messen und Lehrer dafür gesondert vergüten will.

 

Lehrer und ihre Leistungen: Die Messung

Des Lehrers, der Lehrerin Aufgabe ist es, ihren Zöglingen das beizubringen was von ihnen erwartet wird. Das ist in Bayern, laut Bayerischem Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen, Wissen und Können zu vermitteln sowie Geist und Körper, Herz und Charakter zu bilden. Und es heißt weiter: „Oberste Bildungsziele sind Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor religiöser Überzeugung, vor der Würde des Menschen und vor der Gleichberechtigung von Männern und Frauen, Selbstbeherrschung, Verantwortungsgefühl und Verantwortungsfreudigkeit, Hilfsbereitschaft, Aufgeschlossenheit für alles Wahre, Gute und Schöne und Verantwortungsbewusstsein für Natur und Umwelt.“

Nun geistert der FDP-Vorschlag durch die Gazetten, man müsse Lehrer nach Leistung bezahlen. Der Aufschrei ist da; wenn auch übersichtlich, aber er ist da. Das ginge natürlich nicht. Es würde Druck erzeugen. Und Druck sei nie gut.

Und wenn man messen wolle: Wie solle das aussehen? Werden dann die Notendurchschnitte der Schüler in den einzelnen Unterrichtsfächern über Klassengrenzen, Schulgrenzen und vielleicht gar Länder- und Landesgrenzen hinweg verglichen? Und würden die führenden Lehrerinnen und Lehrer dann mehr Geld erhalten? Wie soll das gehen? Das kann gar nicht funktionieren! Das ist lächerlich. Das sind kurz zusammengefasst die Diskussionen, die man in den sozialen Medien verfolgen kann.

Noch interessanter wird es sicher, wenn man die erfolgreiche Ehrfurcht vor Gott oder die gestiegene Aufgeschlossenheit für alles Wahre, Gute und Schöne messen und Lehrer dafür gesondert vergüten will. Alles absurd? Oder einfach nur eine Innovation?

 

Lehrer und ihre Leistungen: Das Setting

Es ginge nicht darum, irgendwie Noten zu manipulieren, Rankings zu erstellen, sondern darum, welche Entwicklungsschritte ein Kind von dem Punkt A zum Punkt B genommen habe, so die FDP-Generalsekretärin Nicola Beer in einem Interview mit dem Deutschlandfunk.

Das klingt wiederum gut. Auch wenn die individuelle Entwicklung eines Kindes in Augenschein zu nehmen zunächst sehr banal zu klingen scheint. Dies ist es aber bei weitem nicht. Ein Blick in die Praxis zeigt dies schnell: Was passiert, wenn in einer Klassenarbeit etliche Schüler eine schlechte Note erhalten?

Richtig. In der Regel nichts. Es geht am nächsten Tag genau so weiter, als hätten alle Schüler die Bestnote erreicht. Der Lehrplan bietet hier auch nur wenig Spielräume. Also kann man daran auch keinen Lehrenden messen. Was sollten die denn tun?

Würde man nun den Blick verstärkt hin zur individuellen Entwicklung des Kindes wenden, dann wäre schon viel gewonnen. Dazu braucht es aber nicht die Messung der Lehrerleistung, sondern viel mehr eine komplette Veränderung der Strukturen – bis hin zu beispielsweise diesen Gedankenschritten: Nämlich in Frage zu stellen, dass eine Gymnasiallehrerin mehr verdient als eine Grundschullehrerin. Oder die bisherige Art und Weise der personellen und materiellen Ausstattungen von Schulen. Und genau dieses Aufbrechen dieser Strukturen ist eine weitere Forderung der FDP-Generalsekretärin.

Es geht also viel weniger um die Lehrerleistung, als viel mehr um das große Ganze, in dem Lehrerinnen und Lehrer sich befinden. Und wenn es um das Setting geht, dann müssen die ganz großen Räder gedreht werden. Das dürfte die Sache mehr als schwierig, wenn nicht gar unmöglich machen. Denn Rahmenbedingungen, und seien sie noch so menschgemacht, gelten seit jeher als gesetzt. Ist so, war so, bleibt so – kann man nichts machen. Nun ja.

 

Lehrer und ihre Leistungen: Die Prämissen

Natürlich gibt es Rahmenbedingungen, die nicht änderbar sind. Vulkanausbrüche oder die Toxizität des Kugelfisches zählen dazu. Aber was wäre das unumstößliche Kugelfischgift der Schule? Bei intensiverem Nachdenken wird die Luft dünn; denn prinzipiell gibt es sehr viele Bausteine im Bereich Schule, die veränderbar sind.

 

Der Kontext

Eine zunächst nur schwierig veränderbare Rahmenbedingung ist der soziale Kontext, in dem sich jede Schule befindet: auf dem Land, in Nobelvierteln oder in sogenannten Problemvierteln. Das ist durch Schulen und Schulpolitik nicht veränderbar. Das ist die Kugelfischtoxizität. Es ist so wie es ist. Hier müssen ganz andere Mechanismen greifen; besser: zugreifen. Aber dieser Kontext muss berücksichtigt werden. Auch wenn die eine Schule von der anderen Schule nur wenige hundert Meter entfernt ist, so kann der Kontext ein völlig anderer sein. Wenn also gemessen werden soll, dann muss jede Schule in ihrem Kontext einzeln betrachtet werden. Erste dahingehende Schritte wurden mit dem sogenannten Sozialindex (hier: Hamburger Sozialindex) unternommen. Doch auch hier besteht noch jede Menge Justierbedarf. Der Weg ist aber richtig!

 

Die Führung

Der Blick muss aber auch in jeder Schule nach innen gerichtet werden. Es wäre enormer Unsinn davon auszugehen, dass jede Schule nach innen gleich tickt. So wie es in jedem Unternehmen eine bestimmte Kultur gibt, so gibt es diese auch in jeder Schule. Das hängt im Wesentlichen von der Leitung ab. Was will ein noch so engagierter Lehrer in einer Schule erreichen, in der das Kollegium toleriert auf Sparflamme vor sich hinköchelt – uninteressiert daran, ob sich im Topf nun Seegurken oder Kugelfische befinden.

Also gilt es den Blick vom Kontext durch die Büros der Schulleitung hindurch nach innen zu richten. Wofür steht die Schule? Wie wollen wir nach außen wirken? Was unterscheidet uns von anderen Schulen? Und woran mache ich das fest? Lautet die Antwort darauf „Wissen wir nicht und brauchen wir auch nicht, weil sowieso alles vorgegeben ist“, dann hat es sich mit dem Thema. Vollends.

 

Der Lehrer

Aus meiner langjährigen Erfahrung als Qualitätsauditor habe ich die Erfahrung machen dürfen, dass Pädagogen im Allgemeinen keinen Zugang zur Leistungsmessung haben. „Geht nicht, weil wir keine Autos herstellen und am Ende auch nicht sagen können: Wir haben heute 120 Autos geschafft.“

So kann man es kurz zusammenfassen.

Das hat aber vor allem einen ganz gewaltigen Nachteil: Denn Pädagogen berauben sich dadurch der Möglichkeit, ihre Leistung transparent gegenüber anderen zu machen; aber auch gegenüber sich selbst. Die Leistung bleibt intransparent, obwohl sie stattfindet und auch einen Effekt hat. Niklas Luhmann und Karl-Eberhard Schorr sprechen in ihrem vor dreißig Jahren erschienen Buch „Reflexionsprobleme im Erziehungssystem“ von der „Vorher-Nachher-Differenz“ pädagogischer Prozesse: Es gibt die Situation vor dem pädagogischen Eingreifen, die Situation während des pädagogischen Einwirkens und schlussendlich die Situation nach dem pädagogischen Wirken. Dazu muss es eine handlungsanleitende Intention und situationsbezogene Differenzen geben. Andernfalls müssten wir von unprofessioneller Willkür und Effektlosigkeit sprechen. Dass dies aber nicht der Fall ist steht außer Frage.

 

Lehrer und ihre Leistungen: Das Fazit

Für mich steht außer Frage, dass Leistungen immer transparent gemacht werden können. Ob man das nun Messen oder Bewerten oder wie auch immer nennt – sei´s drum. Transparenz hat definitiv mehr Vorteile als Nachteile. Ob es dann gleich die Vergütung sein muss steht erst einmal auf einem anderen Blatt. Dazu braucht es noch ganz andere Voraussetzungen.

Ein Grundübel ist dabei immer, dass Messungen und die sich daraus ergebende Transparenz bei den Beteiligten Ängste in Richtung Kontrolle schüren. Und Angst fressen Seele auf. Vor allem dann, wenn man die Befürchtung hat Anforderungen nicht genügen zu können. Dann besser intransparent bleiben.

Hier wäre es sicher von Vorteil, wenn Pädagogen und auch Lehrer mehr Selbstbewusstsein zeigen würden. Die meisten sehen es einfach als ihre Aufgabe an mit ihren Zöglingen Erfolge zu erreichen. Das stimmt auch. Aber jeder Sales-Manager und Vertriebler jubelt, klatscht sich mit anderen ab, macht ein Fass auf, wenn ihm und ihr wieder ein Coup gelungen ist. Das machen Pädagogen wenig bis gar nicht. Sie sehen es als ihre Aufgabe an erfolgreich zu sein und dafür bezahlt zu werden.

Das stimmt auch. Des Vertrieblers Aufgabe ist es aber auch nur zu vertreiben und dafür wird er, wird sie bezahlt. Aber nirgendwo steht geschrieben, dass man nicht auf sich stolz und sich nicht auch freuen darf. Fürs Freuen brauche ich ein Ergebnis und um ein Ergebnis zu erhalten, brauche ich eine Messung. Und niemand, aber wirklich gar niemand, auch nicht Nicola Beer, behauptet, dass es einfach wird. Auch einen Kugelfisch kann man nicht einfach so essen.

 

 

Wissen Sie, dass man auch die Schärfe eines Gerichts messen kann? Den Blog-Artikel „Das Leben vermessen“ finden Sie dazu hier.

 

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Dr. phil. Markus Reimer ist Keynote-Speaker und Lead Auditor für Managementsysteme.