Erst Fußball, dann Fressen, dann Denken
Die Fußball-WM in Brasilien ist gestartet und das brasilianische Volk war an diesem Eröffnungstag in vielen Städten des Landes engagiert auf den Beinen. Und es wurde von der einheimischen Polizei zurückgeprügelt, verhaftet und mit Tränengas bedacht: Weil das Volk zu großen Teilen partout nicht feiern, sondern protestieren wollte und dies auch noch getan hat. Der Brasilianer an sich will es nicht gut finden, dass für den Bau der Stadien wohl acht Milliarden Euro investiert wurden. Obwohl diese Summe auch in Schulen, Krankenhäuser, Sicherheit, Infrastruktur – sicher: Stadien sind auch Infrastruktur! – oder allgemein in die „Versorgung des Landes“ investiert werden hätten können. Viele Brasilianer können sich ihr Leben nicht mehr oder kaum mehr leisten. Wie es also scheint, ist dem Brasilianer das Essen wichtiger als Fußball. Die Option, die kranken Kinder in Stadien, statt in Krankenhäuser zu bringen, scheint ihnen auch nicht attraktiv zu sein.
Zeitgleich wird in Deutschland der Rüstungsexportbericht beschlossen. Dieser zeigt, dass die Rüstungsexporte in Länder jenseits der EU und NATO gesteigert werden konnten! Der Anteil wurde innerhalb eines Jahres erfolgreich von 55 auf 62 Prozent gehoben! Dass dabei Länder wie Saudi-Arabien, Algerien oder das fußballbegeisterte Katar auch für die eine oder andere Menschenrechtsverletzung bekannt sind, lässt man gerne mal unberücksichtigt. Denn zehntausende an Arbeitsplätzen hängen in Deutschland genau an diesen Exporten. Arbeitsplätze werden von Menschen ausgefüllt, die dort ihr Geld verdienen, um sich anschließend Essen zu kaufen – oder Karten für Fußballspiele.
Das alles hat zugegeben seine positiven Seiten – aber im Hinterkopf klopft eben auch mächtig das moralische Denken an. Und genau dafür könnte es von der Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA), der Forschungsabteilung des Pentagon, eine mehr als innovative Lösung geben: Die Agency forscht an Gehirn-Implantaten für US-Soldaten, die bei erlittenen Hirnschäden die Erinnerung wieder herstellen können. Das ist eine sehr lobenswerte Innovationsabsicht.
Und vielleicht ist es bei einer erfolgreichen Entwicklung und einer eventuellen Zwangsimplantation dieser Chips bei allen Menschen dann auch möglich, die eine oder andere Erinnerung einfach zu löschen? Zum Beispiel die Erinnerung daran, wie es zur Vergabe der Fußball-WM nach Katar kommen konnte. Oder die Erinnerung daran: „Wohin haben wir schnell wieder Waffen geliefert?“ Oder noch besser: die Erinnerung daran, dass man Hunger hat! Dann wird Brecht mit seinem „Erst das Fressen, dann die Moral!“ sinnlos: An das Fressen kann man sich nicht mehr erinnern und das moralische Denken wird von Chips übernommen.
Durch diese Innovation wird die Welt zwar nicht besser, aber zumindest einfacher, planbarer, beherrschbarer. Wer sagt, dass Innovation immer ein Schritt nach vorne sein muss?