Enhancement – Innovation am Limit

„Die Gedanken und das Denken sollen nicht nur frei, sondern vor allem grenzenlos sein. Und daran wird gearbeitet: Enhancement! Das sind große zu bestellende Felder der Innovation. Sie werden bestellt mit Druck, mit Drall und vor allem mit Geschwindigkeit.“

 

Enhancement-Limits oder auch nicht

Lassen Sie uns diesen Blog-Artikel mit einem kleinen Test beginnen: Die dritte Wurzel aus der Zahl 25.429.312 ist was?

Jetzt tun Sie sich wahrscheinlich schwer, diese Frage sofort zu beantworten. Zum Glück ist es grundsätzlich auch nicht so wichtig, die dritte Wurzel aus dieser Zahl zu kennen. Doch angenommen, Sie könnten diese Wurzel schnell im Kopf errechnen, dann wäre Ihnen das Staunen der Umgebung gewiss. Vielleicht wäre es auch so, dass Sie, wenn Sie diese Wurzel spontan berechnen könnten, auch noch ganz andere Dinge wüssten und könnten. Das wäre dann wiederum viel sinnvoller zu verwerten, als die dritte Wurzel von irgendwas. Und wenn wir Menschen etwas wollen, dann immer schneller, besser, leistungsfähiger zu werden, oder? Was also, wenn unser Gehirn unfassbar, also grenzenlos leistungsfähig wäre? Und dabei sparen wir uns den eigenen Aufwand! Das ist zugegeben kein neuer Gedanke. Aber aus Science Fiction wird immer mehr Realität. Denn wir erweitern unsere Möglichkeiten dazu immer mehr und immer weiter.  Die Gedanken und das Denken sollen nicht nur frei, sondern vor allem grenzenlos sein. Und daran wird gearbeitet. Das sind große zu bestellende Felder der Innovation. Sie werden bestellt mit Druck, mit Drall und vor allem mit Geschwindigkeit.

 

Die Erweiterung an sich und im Besonderen  

Erweiterungen haben zunächst ja auch etwas grundsätzlich Positives: Horizonterweiterung, Erweiterung des Produktportfolios, Unternehmenserweiterung, Sichtfelderweiterung. Alles sehr sehr positiv. Unter verschiedenen Begriffen an verschiedenen Stellen in verschiedenen Disziplinen tauchen weitere Erweiterungsbemühungen auf. Innovationen hier und Innovationen da. Eine schöne Bezeichnung für die technische Erweiterung der Gehirnleistung ist die „Kognitionsoptimierung“, dicht gefolgt von Hirndoping“ oder „Hirntuning“ und „kosmetische Psychopharmakologie“. Kosmetisch! Weitere Begriffe sind „Brain-Enhancement“, „Kognitives Enhancement“ oder „Neurokognitives Enhancement“. Hauptsache Enhancement! Das verspricht Steigerung bei gleichzeitigem Sparen. Enhancement ist mehr als Trend.

 

„Enhancement ja – aber ohne mich!“

Wenn nun das, was unser Gehirn auf der Basis seiner genetischen Disposition zu leisten vermag nicht mehr ausreichen sollte, dann gilt es etwas zu unternehmen (siehe hierzu auch den Blog-Artikel „Erst Fußball, dann Fressen, dann Denken“). Zunächst sollte die Frage gestellt werden, warum die vorhandenen PS unseres Gehirns nicht mehr reichen. Diese Frage dürfte aber so schnell beantwortet sein, wie sie gestellt wird.

Die Umgebung machts! So wie in westeuropäischen Ländern die Armutsfrage nicht mehr das physische Überleben der Menschen betrifft, sondern das Mithalten des einzelnen Menschen mit der gesellschaftlichen Entwicklung, so wird sich auch die Gehirnleistung auf die Umgebung beziehen müssen. Wenn sich nun die Umgebung gehirnleistungsbezogen weiterentwickelt, man selbst aber nicht, dann wird man abgehängt. Das ist ein unangenehmer Gedanke, den man sich natürlich ersparen möchte.

 

„Enhancement ja – aber ohne mich?“

Der Gedanke wird aber noch viel unangenehmer, wenn Sie folgendes Gedankenexperiment mitgehen: Sie haben eine zehnjährige Tochter. Und selbstverständlich lehnen Sie es komplett ab, dass Ihrem Kind ein Chip ins Gehirn implantiert wird. Niemals! So werden Sie sagen – und Sie haben recht! Und dann erleben Sie, wie Ihre Tochter immer öfter weinend von der Schule nach Hause kommt. Sie kann mit den anderen Kindern nicht mithalten. Denn die anderen Kinder haben leistungssteigernde Chips implantiert, weil deren Eltern wollen, dass aus ihnen mal was Besseres wird. Deren Kinder können besser, schneller und komplexer denken. Ihre Tochter hat keine Chance. Sie weint und ist verzweifelt. Sie dagegen wollen gute Eltern sein und Ihr Kind von einem medizinisch nicht indizierten Eingriff zum Enhancement verschonen. Aber Sie bringen Ihr Kind zum Weinen und verbauen ihm auch noch die Lebenschancen, die den anderen Kindern offenstehen! Dann sind Sie wohl doch keine so guten Eltern, oder? Sie möchten Ihrem Kind sowohl das eine, als auch das andere ersparen. Das ist das Problem.

Das ist keine neue Diskussion. Aber die praktische Konsequenz dieser Diskussion ist der blanke Horror. Und es ist nur eine Frage der kurzen Zeit, bis diese Diskussion der sich eröffnenden Enhancement-Möglichkeiten auch eine endgültige praktische Relevanz hat. Innovationen haben fast immer eine ethische Dimension, die es mitzudenken gilt. Nicht nachher, sondern von Anfang an. Die Zeit dafür ist schon längst reif.

 

Enhancement als Sparmodell

Auch wenn ich stets mit großer Begeisterung und nahezu kindlichem Staunen auf das schaue, was an Innovationen in unsere Welt gelangt, was heute alles möglich ist, was selbst einige Jahre zuvor als völlig unmöglich erschien, so habe ich dennoch immer auch ein gewisses Maß an Skepsis. Das haben nicht alle. Vielleicht ist das gut. Vielleicht auch nicht.

Vor einigen Monaten sorgte ein schwedisches Unternehmen für Aufsehen. Es implantiert seinen Mitarbeitenden Chips in der Größe eines Reiskorns in die Hand. Mit diesen können sie dann Türen des Unternehmens öffnen. Oder die Arbeitszeiten können so erfasst werden. Der Chip kann dann auch nicht mehr zu Hause vergessen werden. Das spart alles Zeit und damit auch Geld. Der Chip als Sparmodell. In dem schwedischen Unternehmen basiert die Teilnahme am Chip-Programm auf Freiwilligkeit. Aber natürlich ließe sich das auch ändern. Prämien für die einen, keine Prämien für die anderen. Aufstiegsmöglichkeiten für die einen, keine für die anderen. Es geht wieder um das Mithalten-Können.

Wir wissen aber auch, dass alles, was vernetzt ist, gehackt werden kann. Dann handelt es sich nicht mehr nur um Systeme, sondern dann werden Menschen gehackt – auch ohne dies selbst zu merken. Was ist also zu tun?

Es ist schwierig. Es ist sogar sehr schwierig. Und trotz aller Schwierigkeit können wir eines keinesfalls: uns diese Diskussion sparen oder gar schenken!

 

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