Das entscheidende Hemd
Meine Wohnung nahm immer mehr Formen, vor allem aber Farbe an. Es war eine Art Eigendynamik. Erst viel später habe ich dann erfahren, dass dieses Phänomen auch als Diderot-Effekt bekannt ist.
Die Wohnung ohne Diderot-Effekt
Vor kurzem habe ich mir ein Hemd gekauft.
Ist das genügend Stoff für einen Post im Blog? Grundsätzlich nicht. Aber …
Vor einigen Jahren bin ich – lassen wir die Hintergründe beiseite – in eine leere Wohnung gezogen. Fast leer: Es gab darin ein Bett, zwei Stühle und einen Tisch. Fertig. Das ist nicht viel und deswegen begab ich mich tags darauf in die Stadt und wie es so sein sollte, gab es dort einen Ramschramsch-Markt, der mich einfach mal interessierte. Also dort wurde der Rest-Ramsch verkauft, der vom ursprünglichen Gesamt-Ramsch übrig geblieben war. Und dort kaufte ich mir … nein, nicht das Hemd, sondern … Servietten. In Knallorange. Für 20 Cent. Zuhause wieder angekommen, breitete ich zwei dieser Servietten auf dem Tisch aus. Ein wenig armselig, aber immerhin ein Farbtupfer. Zwei Tage später sah ich in einem Laden zufällig eine Tischdecke: in orange! Sie würde richtig gut zu meinen Servietten passen – ich kaufte sie. Orange Servietten auf oranger Tischdecke, das ist objektiv schlüssig. Wiederum ein paar Tage später wollte ich mir noch einen kleinen Teppich für das Esszimmer besorgen. Ich überlegte, welche Farbe denn passen würde – ich landete bei einem orangen Teppich. Tatsächlich: Er passte hervorragend ins Gesamtarrangement. Und auch die Vorhänge wurden orange und überhaupt wurde dann nach und nach alles in meiner neuen Wohnung orange. Diderot und der nach ihm benannte Diderot-Effekt spielten da für mich noch keine Rolle.
Die Wohnung und der Diderot-Effekt
Irgendwann fragte ich mich, wie ich denn überhaupt auf die Farbe Orange gekommen war. Diese Farbe hatte in meinem Leben bis dahin noch nie eine Rolle gespielt. Höchstens vielleicht beim Fußball. Aber da war ich ja immer für weiß …
Und dann erinnerte ich mich wieder: Genau genommen hatten 20 Cent über die Farbe meiner Wohnung entschieden: Die Servietten.
Erst viel später habe ich dann erfahren, dass dieses Phänomen auch als „Diderot-Effekt“ bekannt ist. Der hatte nämlich einen Morgenmantel geschenkt bekommen und dann anschließend nach und nach alles in seiner Wohnung dem Morgenmantel angepasst; und es dann aufgeschrieben. Deswegen der Diderot-Effekt.
Der Diderot-Effekt und die Innovation
Insofern ist es tatsächlich immer wieder sehr sinnvoll, mal innezuhalten und zu überlegen, wie es eigentlich dazu kam, dass alles so ist, wie es eben gerade ist. Eine aufwändige Methode dazu ist „Descriptive Analytics“ – das ist jedoch weniger überlegen, als viel mehr errechnen. Wenn man aber nur überlegt, und wenn man dann feststellt, dass es eigentlich keinen richtig guten Grund dafür gibt – und 20 Cent-Servietten sind definitiv kein guter Grund – dann hat man auch ganz schnell wieder eine gedankliche Zero-Base.
Und eine Zero-Base ist wiederum eine hervorragende Ausgangslage für einen Re-Start
Und Re-Starts sind die besten Möglichkeiten für Neues – zum Schluss für Innovationen!
Somit können wir festhalten, dass das Erkennen des Diderot-Effekts eine Basis für Innovationen sein kann. So, und was hat das alles nun mit meinem Hemdenkauf zu tun? Nun ja, das Hemd war stark reduziert und es ist … pink.
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