Zukunftsvision - Markus Reimer Keynote Speaker Redner Vortrag Nachhaltigkeit Innovation Agilität Qualität Digitalisierung Wissen

Drei Forderungen für eine Zukunftsvision

Wir brauchten keine echte Zukunftsvision. Es lief auch so. Aber wir wissen, dass Vieles nicht so gelaufen ist, wie es eigentlich hätte laufen sollen. Dann kam auch noch Corona dazu. Heute stehen wir ziemlich dumm da und haben keine so richtige Vorstellung davon, wie es wohl wird, oder werden sollte oder werden muss. Dabei liegt alles auf dem Tisch. Man muss sich nur die Mühe machen, da mal hinzuschauen. Aber das ist das Problem: Die Mühe. 

    

Zunächst drei grundlegende Probleme   

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Drei Probleme zahlen auf unsere Zukunft ein.
Quelle: AdobeStock /exopixel

Die Wissenschaftler Walter Mischel, Harold Garfinkel und Stanley Milgram haben drei Probleme erkannt, die mehr oder minder auf unsere Zukunft einzahlen. Aber wenn Probleme irgendwohin einzahlen, dann ist das ja eben nicht so richtig einzahlen. Und auch nicht schön. Wir könnten, aber wir wollen das auch nicht unterbinden. Weil es viel zu mühsam ist. Mühsam ist nicht attraktiv. Mühsam ist wie es ist: Mühsam.
Es gibt den alten Mercedes-Benz-Diesel-Spruch: „Lieber tot als Schwung verloren!“

Wenn man aber nicht merkt oder ignoriert, dass der Schwung mittlerweile gegen Null geht und ggf. mit dem Tod endet, dann verliert der Spruch seinen Sinn. Und nicht nur das. (Siehe hierzu auch das Interview mit dem Direktor des Centrums für Naturkunde, Prof. Dr. Matthias Glaubrecht).

Schwung erreicht man aber erst wieder mit Aufwand, mit Kraftzufuhr, mit Mühe. Da ist sie wieder: die Mühe. Und es gibt mindestens drei Probleme.

 

Harold Garfinkel und unsere Konstruktion der Klarheit

Das erste Problem ist die geradezu notwendige Oberflächlichkeit, die Harold Garfinkel erkannt, aber nicht so genannt hat. Es stimmt auch nicht so ganz. Aber würden wir nicht „garfinkeln“: Es wäre immens schwierig, unser soziales Miteinander. Dieses ist nur möglich, weil wir uns auf ein „Ungefähr“ in unserer Sprache einigen. Wir gehen davon aus, dass wir uns gegenseitig verstehen. Alleine die bekannte Frage „Wie geht es dir?“ mit allen möglichen Antworten ist ein belegendes Beispiel dafür. Wir wollen es eigentlich gar nicht so genau wissen. Aber wir wissen nicht, dass wir es nicht wissen wollen. Wir bauen vor allem auf geradezu automatisierte Konstruktionen. Garfinkel benannte es „Ethnomethodologie“. Im NZZ-Artikel „Hofnarr der Kommunikation“ ist dies prägnant beschrieben. Das erste Problem ist also: „Unsere Klarheit ist nur vermeintlich“.

 

Walter Mischel und unser Problem mit dem Später

Das zweite Problem ist das des Belohnungsaufschubs. Sicherlich kennen Sie das Marshmallow-Experiment von Walter Mischel. Die Kurzfassung: Entweder jetzt ein Marshmallow; oder später zwei Marshmallows. Aber später ist schlecht. Jetzt ist besser. Das war damals bei Mischel und den Kinderprobanden so; es ist heute mit Erwachsenen nicht viel besser. Was wir heute haben können, das wollen wir auch. Wen interessiert schon das Später? Die gesamte Dramatik dahinter habe ich in „Wir sind das Marshmallow-Volk“ beschrieben. Also nennen wir das zweite Problem beim Namen: „Was interessiert uns das Später?“

 

 

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Stanley Milgram und unser Wunsch nach Richtung ohne Verantwortung

Migrams Experiment hat eindrucksvoll belegt, wie sehr wir uns von Autoritäten lenken lassen – auch wenn wir etwas offensichtlich Falsches tun sollen. Bei Milgram war es das Verpassen von Stromschlägen für Studenten, die Aufgaben falsch lösten. „Stromschläge verpassen“ kann nicht richtig sein. Aber wenn es von oben, also von Autoritäten angeordnet wird, dann ist es wohl doch irgendwie richtig, weil legitimiert. Und wenn etwas nicht angeordnet wird? Dann ist es wohl auch richtig, also legitimiert, nichts zu machen. Andernfalls wäre es ja angeordnet worden. Autoritäten machen es uns einfach: Wir haben eine klare Orientierung und wir müssen vor allem keine Verantwortung übernehmen. Das macht ja die Autorität. Das beeindruckende Milgram-Experiment und seine Ergebnisse finden Sie hier.

Das dritte Problem ist also: „Wir wollen Richtungen, aber ohne Verantwortung.“
So viel zu den Problemen. Und nun zu den Herausforderungen.

 

Der erste Schritt 

Machen Sie den ersten Schritt.
Quelle: Adobe Stock/ andrey gonchar

Nicht nur durch die Pandemie, aber vor allem durch sie wurden in den letzten Monaten Probleme, Herausforderungen, Versäumnisse, Planlosigkeiten, Formalisierungswahn offensichtlich, die jedoch schon immer da waren. Aber eben nicht offensichtlich. Und darum ist es auch nicht verwunderlich, dass Viele sich darüber einig sind, dass etwas passieren muss. Dieses „Passieren muss“ zeichnet sich aber schon wieder dadurch aus, dass es eben passiert. Einfach so.

„Es muss etwas passieren!“ heißt vor allem, dass das „ohne unser Zutun“ geschehen muss. Denn dann würde es ja heißen: „Wir müssen etwas tun!“

Und selbst damit ist ja auch nur etwas gesagt, aber eben noch nichts getan. Solange aber noch Schwung, zum Beispiel in Form eines Marshmallows vorhanden ist, solange ist noch Bewegung, Movement vorhanden. Movement, das sich eingespielt hat. Und genau dieses Movement geht jetzt immer mehr verloren oder es ist gestoppt oder es wird zumindest immer mehr in Frage gestellt. Ich habe das mal als „Das Erwachen des Truthahns“ beschrieben.

Ist also kein Schwung mehr da, sehr wohl aber die Notwendigkeit, dass etwas getan werden muss, dann kommt man nicht am ersten Schritt vorbei. Er muss gegangen werden. Trotz aller Mühe. Doch wohin?

 

Zukunftsvision? Wäre wohl wichtig

Ein erster Schritt ist vor allem dann richtig, wenn man weiß, in welche Richtung er gesetzt werden soll. Das klingt so banal, wie es dann doch nicht ist. Die offensichtlich richtige Richtung ist keine Selbstverständlichkeit. Nicht mehr. Eher die Ausnahme. In einer komplexen Welt, in der wir leben, gibt es immer verschiedene Möglichkeiten, von denen wir nicht wissen, ob sie wirklich zum Ziel führen und, und das dürfte noch viel schwerer wiegen, ob das Ziel dann auch wirklich das gewünschte war und ist. Das alles macht es nicht einfach. Und dennoch ist es gegenwärtig so wichtig zu wissen, wohin die Reise gehen soll. Wir brauchen politisch, gesellschaftlich, unternehmerisch Visionen von unserer Zukunft. Oder zumindest eine. Oder wenigstens eine halbe … und dann müssen wir ja auch noch irgendwie bestimmen können, ob wir auch richtig unterwegs oder vielleicht auch schon da sind: Messen, analysieren, verbessern

Was ist unsere Zukunftsvision zur Energiewirtschaft? Zur Digitalisierung? Zur Mobilität? Zum Klima? Zu unserer Umwelt? Zu Menschenrechten? Zur Armut? Zur Nachhaltigkeit? Zu Innovationen? Wer formuliert sie, wer ist dazu motiviert und wer macht letzten Endes mit? Es ist wenig erfolgversprechend, wenn nur Einzelne den berühmten ersten Schritt machen und der Rest stehen bleibt und zuschaut. So kommt man zu keiner Zukunftsvision und erst recht verwirklicht man so keine Zukunftsvision. Doch wie dann?

 

Zukunftsvision mit Umsetzoption

Zukunftsvision

Wie sieht Ihre Zukunftsvision aus?
Quelle: Adobe Stock / oleg_ermak

Visionen, heruntergebrochen auf konkrete Zielsetzungen, kann man natürlich auf verschiedenen Wegen erreichen. Nicht zuletzt deswegen ist es erforderlich, Spielregeln, Werte oder umfänglicher: eine Handlungspolitik festzulegen. In Unternehmen: Eine Unternehmenspolitik. Eine solche zu formulieren, zu kommunizieren und auf allen Ebenen zu praktizieren ist unerlässlich. Andernfalls würde niemand einen Opel Mokka von einem Ferrari 40 oder Real Madrid vom SC Paderborn unterscheiden wollen oder können:

Beides sind Autos, beides sind Fußballvereine; und dennoch könnten die gelebten Unterschiede nicht größer sein. Ich habe zu diesem Thema vor einiger Zeit 55 Impulse aufgelistet.

Die Unternehmenspolitik, das Selbstverständnis, die eigenen Werte oder Handlungsprinzipien sind unabdingbar; sie sind vor allem unabdingbar verknüpft mit der Komplexität unserer Welt. Grundsätzlich sage ich, dass eine Unternehmenspolitik, die sich nicht auch um unsere Welt kümmert, keine legitime Unternehmenspolitik mehr darstellen kann. Die 17 Nachhaltigkeitsziele (17 SDG) oder auch der Global Compact der UN, oder die formulierten #JederMensch-Rechte des Juristen von Schirach sind hierfür glänzende Ingredienzien. Sie könnten, sie sollten zumindest den mittelbaren Weg in die Formulierung der Unternehmenspolitiken finden. Das ist ein hoher Anspruch, aber nur mit diesem werden wir es schaffen, diese eine unsere Welt in eine Welt für uns alle zu verändern.

 

Drei Forderungen: Aus Zukunftsvision wird Zukunft

Visionen, heruntergebrochen auf konkrete Zielsetzungen, kann man natürlich auf verschiedenen Wegen erreichen. Nicht zuletzt deswegen ist es erforderlich, sich den Rahmen zu stecken. In Form einer Organisations-, einer Unternehmenspolitik. Und es geht im Anschluss darum, dafür zu sensibilisieren, dass uns das eine Marshmallow heute nur wenig bis überhaupt nicht mehr weiterhilft. Es geht um das zweite und dritte, auch wenn wir selbst diese überhaupt nicht mehr zu Gesicht bekommen werden. Aber unsere Enkel. Und deren Kinder. Darum geht es! Darum müssen wir auf das heutige Marshmallow verzichten und für die nächsten sorgen. Das ist die erste Forderung.

Dazu ist es notwendig, dass wir uns für die Dinge wirklich interessieren; die zweite Forderung. Die Oberfläche reicht nicht mehr. Wir müssen hinter das gegenwärtig Offensichtliche schauen, um das zukünftig Offensichtliche und nicht mehr Abwendbare erkennen zu können.

Und dann geht es darum, als dritte Forderung, dass wir selbst handeln und dafür die Verantwortung übernehmen. (Siehe hierzu auch meinen Artikel zu Hannah Arendt). Das heißt auch, die Verantwortung dafür zu übernehmen, wenn wir nicht handeln. Nur dann kann aus der Zukunftsvision Zukunft werden. Das liest sich nicht einfach. Das ist es auch nicht. Es wird Mühe kosten. Eine andere Möglichkeit haben wir aber nicht mehr.

Der Schwung ist nicht nur weg. Er schlägt zurück …

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Bild: Photo by Ken Wyatt on Unsplash