Her mit den Maßnahmen: Der Weg ist das Ziel!

„Jetzt lassen Sie uns mal mit den Maßnahmen beginnen, dann fallen uns die Ziele schon wieder ein!“

 

„Jetzt lassen Sie uns mal mit den Maßnahmen beginnen …

Als Auditor für ISO 9001-Managementsysteme interviewe ich stets auch die obersten Leitungen von Organisationen. Eine meine inhaltlichen Eingangsfragen ist dabei stets: „Vielleicht können wir damit beginnen, dass wir über Ihre Unternehmensziele sprechen?“ Eine relativ einfache Frage.

Aber ganz so einfach ist sie dann doch nicht. Denn die Antworten, die ich daraufhin sehr oft erhalte, könnten unterschiedlicher nicht sein. Eine Variante dabei ist: „Wir werden bis Ende Januar nächsten Jahres eine neue Produktionslinie aufbauen!“ Eine andere Variante ist: „Wir eröffnen bis Ende des Jahres eine neue Filiale in Graz!“

Zugegeben sind das natürlich Ziele. Sie sind spezifisch, sie sind messbar und so weiter. Die SMART-Formulierung für Ziele ist sicher gegeben. Doch was bedeuten diese Ziele für das Unternehmen? Wenn die neue Produktionslinie aufgebaut und etabliert ist oder die neue Filiale in Graz eröffnet hat: Ist das dann für das Unternehmen gut? Und wenn ja, wovon auszugehen ist, was genau ist daran denn gut? Die Frage, die sich bei diesen Zielen nämlich immer stellt, ist die: Wozu mache ich das? Wozu eine neue Produktionslinie? Wozu eine Filiale in Graz? Erst mit der Beantwortung dieser kurzen Frage, ist eine Annäherung an die eigentlichen Unternehmensziele möglich. Die Produktionslinie und die Grazer Filiale scheinen nur Maßnahmen zu sein, um etwas Anderes, etwas Größeres zu erreichen.

Vor einiger Zeit kam mir ein Cartoon in die Hände. Ein Geschäftsmeeting an einem großen Konferenztisch wurde darauf dargestellt. Und der Leiter des Meetings meinte dann eben: „Jetzt lassen Sie uns mal mit den Maßnahmen beginnen …

 

… dann fallen uns die Ziele schon wieder ein.“

So lautete der zweite Teil des Satzes des Meetingleiters. Mit anderen Worten: Der Weg ist das Ziel. Das scheint für Spaziergänge im Schlosspark von Schönbrunn eine ganz geeignete Vorgehensweise zu sein. Aber Unternehmensziele unterscheiden sich von Spaziergängen nicht nur in Nuancen. Aber selbstverständlich steckt auch eine wesentliche Gemeinsamkeit dahinter. Sowohl beim Spaziergang im Schlosspark, als auch bei der Eröffnung einer Filiale in Graz habe ich eine Vorstellung von dem, was ich erreichen will. Mit anderen Worten: eine Vision. Ich spaziere nicht einfach so durch den Park, ohne zu wissen, was ich da eigentlich soll. Die Vision dahinter ist, dass ich mich vom Alltag ablenken, mich an der Anlage des Parks, an den Blüten, an den anderen Menschen erfreuen will. Ebenso gibt es die Vision hinter der Grazer Filiale. Die Erhöhung der Kundennähe, die Verkürzung von Logistikwegen oder die Erschließung eines neuen Marktes könnten solche Überlegungen sein.

 

Viele Wege führen nach Graz

Mit der explizierten Antwort auf die Frage „Wozu mache ich das überhaupt?“ ergeben sich mindestens zwei Optionen.

Nummer 1: Das dahinterstehende Ziel meiner getroffenen Entscheidung für eine Maßnahme liegt nun offen vor mir. Und so erkenne ich vielleicht, dass gerade die Ablenkung das Ziel meines Spaziergangs in Schönbrunn ist. Bei einer weiteren Betrachtung des Ziels „Ablenkung“ stelle ich dann fest, dass vielleicht Schönbrunn nicht die Ideallösung, also nicht die ideale Maßnahme ist. Es sind dort nämlich viel zu viele Menschen. Die Konsequenz daraus: Ich verwerfe den Spaziergang in Schönbrunn und gehe stattdessen in einen Wald, wo weniger Menschen anzutreffen sind. Das ist ein sehr einfaches Beispiel. Grundsätzlich ergibt sich aber aus einem formulierten „Wozu-Ziel“ eine andere Bewertungsgrundlage. Diese kann dazu führen, dass die ursprünglich getroffene Entscheidung zugunsten einer besseren Alternative zurückgenommen wird.

Nummer 2: Das dahinterstehende Ziel meiner getroffenen Entscheidung für eine Maßnahme liegt nun offen vor mir. Und so erkenne ich vielleicht, dass es eigentlich noch viele weitere Möglichkeiten gibt, die zu diesem Ziel führen. Die Grazer Filiale ist sicher geeignet, den Grazer Markt zu erschließen. Aber alleine die Filiale wird das nicht erreichen können. Damit ist es also nicht getan. Es braucht noch andere, weitere Maßnahmen, die vielleicht das Marketing, den Vertrieb, Kooperationen und so weiter betreffen.  Grundsätzlich ergibt sich also aus einem formulierten „Wozu-Ziel“ ein erweiterter Blick auf zusätzliche Notwendigkeiten. Dies kann dazu führen, dass die ursprünglich getroffene Entscheidung für eine Filiale in Graz erheblich ergänzt werden muss, um das dahinterstehende Ziel effektiv erreichen zu können. Denn wenn auch nicht alle, aber so führen dennoch viele Wege nach Graz.