Porno-Innovationen?

Eine Branche stirbt! Und kaum jemand bemerkt es. Das ist wohl auch der Grund, warum sie stirbt. Die Umsatzeinbußen sind seit Jahren dramatisch und eine Filiale nach der anderen muss die Türen für immer schließen. Es gab vor 20 Jahren noch an jeder Ecke eine; heute sind sie sehr selten geworden: Videotheken.

Der Grund dafür ist offensichtlich, aus meiner Sicht zweischichtig und er ist gerade darum auch sehr gut übertragbar auf alle Branchen: Voraussicht ist die Mutter aller Erfolgskisten. Wie war der Erfolg der Videotheken begründet: Sie hatten zum einen das nahezu konkurrenzlose Angebot, dass der Kunde sich Filme ausleihen konnte, die er noch oder auch gar nicht im Fernsehen sehen konnte. Als  temporäre Alternative blieb noch das Kino. Aber dort konnte man die Filme nur eine bestimmte Zeit und zu bestimmten Zeiten ansehen. Mit Videos war man da völlig frei.

Und dann gibt es noch den zweiten Punkt: Es geht um die Art von Filmen, die überhaupt nie im Kino oder im Fernsehen zu sehen sind. Naja, Sie wissen schon … genau: Pornos. Dazu muss man wissen, dass die meisten Videotheken fast die Hälfte ihres Umsatzes mit dieser Art von Filmen generierten. Das ist ein stolzer Anteil vom Gesamtkuchen.

Das waren die goldenen Zeiten der Videotheken. Und nun? Die goldenen Zeiten haben sich schnell und drastisch in hölzerne Zeiten gewandelt. Filme landen nach dem Kino nach relativ kurzer Zeit in den Regalen von Super- und Drogeriemärkten als Kauf-DVD zu einem Preis, bei dem es einfach keinen Sinn macht, sich diese in einer Videothek zu leihen. Zum einen. Nur kurze Zeit später landen die Filme dann zusätzlich im Fernsehen;  zumeist in einer Dauerschleife. Zum zweiten. Warum also sollte man sich heute noch einen Film in einer Videothek aussuchen, ausleihen und dann vor allem auch noch wieder zurückbringen …

Und Pornos? Da es bei diesen Filmen ja nicht ausschließlich um eine ausgefeilte Handlung in budgetschmälernden Settings geht, hat die professionelle Produktion fast völlig an Bedeutung verloren. Heute gibt es massenweise exhibitionistisch orientierte Darstellerinnen und Darsteller, die ihre semiprofessionellen und Privat- nennen wir es auch – Produktionen ununterbrochen ins Netz hochladen und damit für unerschöpflichen Nachschub auf den verschiedensten Netzplattformen sorgen; und das alles zu Preisen, die nicht nur den Videotheken, sondern auch der gesamten vorgelagerten Porno-Filmindustrie den Garaus machen. Angeblich sind 30% der Internetseiten pornografischen Inhalts. Ja, die Zeiten haben sich gewandelt: schnell, unaufhaltsam, radikal. Das nach wie vor in großem Ausmaß nachgefragte Angebot hat viele Wege an den Videotheken und Filmindustrien vorbei gefunden: Der Kuchen wird nun andernorts verteilt. Und so schließen sich nun Türen und Tore von Produktionsfirmen und Videotheken und es stellt sich die Frage, ob das hätte verhindert werden können?

Die Antwort: Nein, die Entwicklung hätte nicht aufgehalten werden können. Aber man hätte versuchen können, ein Teil der Entwicklung zu werden. Wie immer greifen hier Erfolgsprinzipien wie Diversifikation oder Innovation. Innovative Konzepte – Neues! – und mehrere Standbeine – Verschiedenes! – sind immer gute, aber eben auch aufwändige Lösungen. Und Erfolg verhindert oft Aufwand: Lieber die sichere Cash Cow als das unsichere Question Mark. Aber diese Prinzipien sollten immer schon viel mehr im Voraus als Aktion, als im Nachhinein als Reaktion über- und erdacht werden. Das gilt für alle Branchen! Auch die klassische Tageszeitung hat schon seit einiger Zeit das „Porno-Problem“ – wozu noch kaufen, wenn im Netz das Angebot geradezu unerschöpflich ist? Auch dort mussten schon Türen geschlossen werden. Es herrscht Krieg zwischen den alten und neuen Zeiten. Der Grundgedanke dazu war schon im alten China bekannt: Es hilft nicht darauf zu hoffen, dass der Feind ausbleibt, sondern es geht darum, darauf zu bauen, dass man bereit ist, ihn zu empfangen (Sun Tuz). Und Türen zu schließen, ist keine gute Strategie.