Der Geschichtenerzähler

„Das Drehbuch der Unternehmen wird live geschrieben – und zwar von den Mitarbeitern des Unternehmens! Und Unternehmer und Führungskräfte sind die Produzenten und Regisseure. Es geht um Geschichten!“

Kennen Sie Walter White? Oder kennen Sie Peter Faber? Oder Dr. Jack Shepard?

Kennen Sie das Ergebnis der Vorlesestudie 2016 der Stiftung Lesen? Oder das Ergebnis der gleichen Studie aus 2015?

Waren Sie schon mal bewusstlos? Oder waren Sie schon mal auf Klassentreffen?

Und sind Sie neugierig?

Innovation und Qualität – Ein Werk für Spezialisten!?

Jedes Unternehmen will zum einen innovativ sein und zum anderen aber auch qualitativ hochwertige Produkte auf den Markt bringen. Das gelingt. Oft. Meistens aber nicht.  Die Ursache dafür ist – wo auch sonst – in den Unternehmen selbst zu suchen. Es ist keine neue Erkenntnis, dass weder Innovationen, noch Qualität Zufälle sind. Und wenn doch, dann ist das schon ein sehr zufälliger Zufallszufall.

Eine nicht repräsentative, weil eher gefühlte und aus Erfahrungen resultierende Bestandsaufnahme in Österreich, aber auch in Deutschland, zeigt immer wieder, dass die beiden Themen Innovation und Qualität zwar nicht ignoriert werden. Aber sie werden speziell dafür vorgesehenen Stellen, Posten oder Abteilungen überlassen. So gibt es für den Bereich Qualitätsmanagement Beauftragte – mit oder ohne zusätzliches Personal – und es gibt selbstverständlich auch FuE-Abteilungen in Unternehmen.

Damit sind diese beiden Themen personell und aufgabenbezogen grundsätzlich einmal abgedeckt. Das ist zum einen sicher gut gedacht – leider aber auch sicher falsch gedacht. Würde man es überspitzt formulieren, so könnte man davon sprechen, dass man die beiden so wichtigen Themen nach innen out-ge-sourced, also nach innen ausgelagert – vielleicht könnte man sogar sagen: isoliert etabliert hat. Dass das nicht gut sein kann, muss nicht weiter diskutiert werden.

 

Innovation und Qualität – ein Puzzle mit tausenden Teilen

Es ist keinem Unternehmer oder auch Führungskraft abzusprechen, dass sie die beiden Themen Innovation und Qualität geringschätzen würden. In der Regel werden beide Themen als wichtig erachtet. Allein der nächste Schritt fehlt: Denn wenn etwas als wichtig erachtet wird, dann heißt das auch, dass sich darum gekümmert werden muss. Und umso wichtiger ein Thema ist, desto mehr wird es Chefsache. Und genau da hapert es dann oft gewaltig. „Sich kümmern“ ist dann oft gleichbedeutend mit „Stelle und Budget schaffen“, „Stelle besetzten“ und damit „Thema erledigt“. Die beiden notwendigen Themenfelder „Innovation“ und „Qualität“ sind nun bestellt; die Themen werden von Stellen bewirtschaftet und die Lücke ist damit geschlossen.

Doch das ist nicht ein, sondern der Denkfehler! Ein Unternehmen ist grundsätzlich ein komplexes Unterfangen, in dem viele Mechanismen wirken – und leider oft auch gegensätzlich wirken. So hat es die Produktion oder auch der Vertrieb oft etwas leichter, da diese mit konkreten wertschöpfenden Zahlen aufwarten können: Stückzahlen oder Dienstleistungsstunden oder ganz einfach Verkaufszahlen und Umsatz. Aber ein Unternehmen ist keine Linie, sondern viel mehr eine weite Ebene und damit viel mehr als eine Art Puzzle mit mindestens 5000 Teilen zu sehen, die auf den ersten Blick sich völlig und auf den zweiten Blick sich dann doch nicht so wesentlich voneinander unterscheiden. Und Qualität und Innovation sind ein wesentlicher Anteil in diesem Puzzle!

Sind sie nicht abgedeckt, so ist dort eine Lücke und das Puzzle ist „kaputt“ – wie ein Kind es zutreffend formulieren würde. Und was dabei in den Vordergrund zu stellen ist: Jedes Puzzlestück ist unmittelbar oder mittelbar mit jedem anderen Puzzlestück verknüpft. Alles hängt mit allem zusammen! So und nur so müssen die Themen Innovation und Qualität verstanden werden. Andernfalls darf man von haarsträubenden Folgen nicht überrascht sein. Samsung muss derzeit ein Lied davon singen.

Was ist also zu tun?

 

Der Zauber von Geschichten

Früher, Käpt´n Blaubär würde sagen: als das Lügen noch geholfen hat …, gab es auch schon viele TV-Serien. Gegenwärtig gibt es noch viel mehr TV-Serien. Aber es hat sich in den letzten Jahren ein erfolgreicher Trend durchgesetzt: Die einzelnen Folgen hängen unmittelbar zusammen. Wer „Lost“ mit Dr. Jack Shepard oder „Breaking Bad“ mit Walter White gesehen hat, weiß, worum es geht. Als Zuschauer ist man in der Geschichte gefangen und kann sich daraus kaum oder auch gar nicht mehr lösen. Die einzelnen Episoden erzählen eine fortlaufende Geschichte und es geht immer und immer weiter. Jede Folge endet mit einem entsprechenden Cliffhanger, so dass man es schon gar nicht mehr erwarten kann, die nächste Folge zu sehen, um zu sehen, wie die Geschichte weitergeht. Man wird in die Geschichte förmlich eingesogen. Der Dortmunder Tatort mit Peter Faber geht nun auch diesen Weg – das ist nicht wenig innovativ für den alten Dampfer „Tatort“ mit seinen angestammten Zuschauern. Aber das ist ein anderes Thema. Es geht um Unternehmen und deren Bezug zu Innovation und Qualität.

Die Eingangsfrage war: Was ist also zu tun?

Unternehmen können meines Erachtens aus diesem TV-Serien-Erfolgsmodell etwas für sich mitnehmen: Sie können und sollten ihre eigene Geschichte erzählen!

 

Was Innovation und Qualität mit Geschichten zu tun haben

Alles hängt mit allem zusammen in einem Unternehmen – wie eben in einem großen Puzzle; oder auch in einer großen Geschichte mit vielen, mit sehr vielen Erzählebenen.

Ein Mitarbeiter hat eine Idee. Im Unternehmen wird versucht, diese Idee umzusetzen. Wird es klappen?  Es wird Fehlschläge geben. Vielleicht klappt es auch gar nicht. Damit ist sogar zu rechnen. Doch diesmal klappt es. Es wird im Unternehmen kommuniziert: Wir haben eine neue Idee und haben versucht sie umzusetzen: Es hat funktioniert! Wir können die Qualität des neuen Produkts, der neuen Dienstleistung, des neuen Prozesses robust und zuverlässig absichern! Es gibt einen Grund zu feiern! So steht es im Intranet unter „Neuigkeiten“. Wir gratulieren unserem Ideengeber! So steht es am Schwarzen Brett! „Ich danke Ihnen für das Einbringen dieser Idee!“ so spricht die Führungskraft bei der nächsten Mitarbeiterversammlung! Nun geht es darum, diese Idee zur Innovation zu machen! Drücken wir dem Marketing und dem Vertrieb die Daumen! Die ersten Erfolge sind zu verzeichnen! Es kam zum ersten großen Auftrag! Wir begrüßen dazu auch zwei neue Mitarbeiter an Bord. Und wir verabschieden uns von …

 

Geschichten schaffen ein großes Ganzes

Aus einer Idee wird eine Geschichte. Die Geschichte wird Bestandteil einer noch größeren Geschichte, nämlich der Unternehmensgeschichte. Es ist nicht die Geschichte der Abteilung FuE oder QM: Es ist und es muss die Geschichte des Unternehmens werden! Und das Beste daran ist: Alle im Unternehmen sind Teil dieser Geschichte!

Während man Peter Faber, Dr. Jack Shepard oder Walter White nur spannungsgeladen zusehen kann, so ist und soll es in Unternehmen möglich sein, Einfluss auf die Geschichte zu nehmen! Es gibt noch weitere Ideen! Als Ergänzung zur gerade umzusetzenden Idee – oder auch eine ergänzende oder völlig neue Idee! Wer kann sich noch an damals erinnern, als diese eine Idee völlig daneben gegangen ist? Wer kann sich noch an den alten Abteilungsleiter erinnern – was war das nur für eine Marke!? Das Drehbuch der Unternehmen wird live geschrieben – und zwar von den Mitarbeitern des Unternehmens! Dass dabei die Unternehmer und die Führungskräfte die Produzenten und Regisseure sind, ist unbestritten. Und jeder Produzent und Regisseur ist doch stolz darauf, wenn an dem, was er macht, Interesse besteht!

Es ist ein erfolgversprechender Weg, aus dem eigenen Unternehmen eine spannende Geschichte zu machen. Innovation und Qualität, aber auch Marketing oder Controlling und alle anderen Abteilungen sind in dieser Geschichte unverzichtbare Teile des Ganzen.

Es hilft aber nicht, eine Geschichte nur zu „machen“, zu schreiben, wenn sie dann von niemandem gelesen oder verfolgt wird.

 

Der Geschichten-Erzähler als Treiber für Innovation und Qualität

Geschichten sind ganz sicher keine Erfindung der neueren Geschichte. Vor tausenden von Jahren hat man sich am Lagerfeuer bereits Geschichten erzählt. Und die Botschaft von heute ist ganz einfach: Die Attraktivität von Geschichten hat kein Stück abgenommen. Es gibt ja auch die „neue“ Methode der Wissensvermittlung „Storytelling“ …

Sie ist weder neu, noch ist überraschend, dass sie funktioniert; das hat Jahrtausende funktioniert und wird auch weiterhin funktionieren. Es kommt nur auf die Geschichte und auf den Erzähler an.

Es gibt alle möglichen Formen von Geschichten und wir Menschen lieben sie fast alle – von (Klein-)Kindbeinen an. Eine im Oktober 2016 von der Stiftung Lesen erschienene Studie belegt erneut, dass über 90 Prozent der Kinder es lieben, wenn ihnen vorgelesen wird – also, wenn ihnen Geschichten erzählt werden. Aber das beschränkt sich nicht auf Kinder. Selbst Erwachsene lieben Lesungen, oder Theaterstücke, oder Opern und Operetten, oder Filme oder Kabarettaufführungen, in denen was gemacht wird? Richtig: Es werden Geschichten erzählt. Das bedeutet nichts anderes als: Die Affinität zu Geschichten lässt kaum nach.

Warum also soll sich diese Affinität der Menschen nicht auch in Unternehmen nutzen lassen? Es geht darum, erstens Geschichten und zweitens Zugang zu diesen zu schaffen.

Wie kann man Zugang zu den Geschichten des Unternehmens schaffen? Durch Lagerfeuer?

 

Der Geschichten-Erzähler – Beispiele

Es ist viel einfacher, als man denkt! Zum Teil würde es reichen, wenn Unternehmen eine Rolle rückwärts machen würden: Betriebsausflüge, Mitarbeiter-/Unternehmenszeitungen, Weihnachtsfeiern … Vieles von dem wieder einführen, was in den letzten Jahren aus Wirtschaftlichkeitsgründen abgeschafft wurde.

Es ist ein Privileg, dass ich sehr viele Unternehmen kennenlernen darf und dabei auch viele verschiedene Wege erlebe, wie Geschichten entstehen und verbreitet werden.

Ich arbeite mit einem Unternehmen aus Starnberg zusammen, auf deren Startseite des Intranets befindet sich immer ein Bild der gesamten Belegschaft vom letzten Betriebsausflug: Lachende Gesichter vor schöner Kulisse.

Eine große Behörde in Nürnberg macht für seine Mitarbeiter ein Sommerfest – es bedient der Vorstand.

Der Geschäftsführer eines produzierenden Unternehmens in Iserlohn betreibt unter anderem als exotisches Neben-Nebengeschäft einen Biergarten in einem renovierten Bahnhof. Als er eines Tages, mit einem Geschäftspartner dort angekommen, bemerkt, dass die Masse an Besuchern durch das Personal nicht mehr bedient werden kann, hilft er zusammen mit seinem Geschäftspartner stundenlang hinter der Theke.

 

Der Geschichten-Erzähler – weitere Beispiele

Zwei Geschäftsführer eines weltweit agierenden Unternehmens in Frankfurt führen bei der Weihnachtsfeier für ihre Mitarbeiter Sketche auf.

Dieses Unternehmen berichtet nahezu täglich über die Startseite seines Intranets über die Vertriebserfolge und neue Kooperationen und wer dabei beteiligt war und welches Veranstaltungsformat neu getestet wurde oder oder …

Ein Unternehmen aus Österreich, mit dem ich zusammenarbeiten darf, postet auf facebook Bilder vor, während und nach eigenen Veranstaltungen oder von Geburtstagen oder worauf man gerade stolz ist …

All das sind Möglichkeiten – und zwar einfache Möglichkeiten, derer es noch viele weitere gibt! – wie Geschichten entstehen, in die die Mitarbeiter eines Unternehmens involviert sind, an denen die Mitarbeiter partizipieren können, und die garantiert weitererzählt werden oder an die man sich gerne noch erinnert. „Weißt du noch, damals …“. Es ist wie auf Klassentreffen – es existiert eine Art kollektives Bewusstsein durch gemeinsame Erlebnisse und Erinnerungen. Es schweißt zusammen.

 

Geschichten schaffen Identitäten

Genau dadurch entstehen Unternehmensidentitäten! Ein Unternehmensbewusstsein! Das Puzzle aus vielen Abteilungen wird ein Ganzes! Alles hängt mit allem zusammen, weil man Teil einer gemeinsamen Geschichte ist. Und wenn man Teil einer Geschichte ist, dann möchte man in der Regel auch Teil der Geschichte bleiben oder noch besser: der Geschichte neue Impulse geben, womit wir bei Innovation wären – oder dazu beitragen, dass alles immer zu einem Happy End beiträgt, womit wir bei Qualität wären.

Wie die Studie der Stiftung Lesen aus dem vorigen Jahr, also 2015, festgestellt hat, sind Kinder, denen regelmäßig vorgelesen wurde, viel häufiger darum bemüht, andere in die eigene Gemeinschaft zu integrieren und so viel mehr zu längerfristigen sozialen Bindungen fähig und können zu diesen aktiv viel mehr beitragen. Wenn das mal nicht auch ein Wink mit der Eisenbahnschwelle Richtung „Dem-Fachkräftemangel-Entgegenwirken“ ist.

Also: Das Beste für Unternehmen und Gesellschaft wird es jetzt sein, erst mal ein Lagerfeuer zu entzünden …