Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen – eine Vergraulung

Zögern Sie auch nicht, sich für die privaten Belange Ihrer Mitarbeiter nicht zu interessieren! Das zeigt nochmals klar auf, dass Sie auf Erfolg und nicht auf Firlefanz fokussiert sind.

 

New Work, Desk Sharing – eine ganz moderne Vorgeschichte

Als ich vor einigen Jahren in einem mir sehr wohlbekannten und von mir geschätzten Unternehmen im Norden Deutschlands mal wieder zu Besuch war, teilte mir der Geschäftsführer mit nicht gerade wenig Enthusiasmus mit: „Wir werden jetzt moderner! Wir werden umbauen und das alles hier“, dabei zeigte er über den Flur, zu dessen linker und rechter Seite die Büros der Mitarbeitenden waren, „das alles hier wird ein einziges großes Büro!“

Er erzählte mir dann noch etwas von Desk Sharing, New Work, Agilität und Collaborative Approach. Man könnte dann viel besser miteinander kommunizieren, an eigenen und gemeinsamen Zielen und hochflexibel arbeiten. Ich war gespannt. Denn eines musste man dem Unternehmen lassen: Es hatte Spirit. Große klasse. Vielleicht wird das Großraumbüro diesen Spirit weiter verstärken. Vielleicht werden die Leute noch enger zusammenrücken, ein noch größeres Wir-Gefühl entstehen lassen. Wer weiß!?

Ich konnte mir das alles keinesfalls vorstellen, denn ich bin ein Gegner von Großraumbüros – und seien es noch so schöne bunte wie schallisolierte Kästen, in die die dort arbeitenden Menschen ihre Köpfe hineinstecken. Müssen. Um nicht dem Nachbar links, rechts, hinter und vor ihm oder ihr auf den Zeiger zu gehen

Mittlerweile ist der Umbau abgeschlossen, das Großraumbüro ist da und wird von allen genutzt. Der Spirit ist weg. Einige Mitarbeiter auch. Es ist still geworden. Das meist gesprochene Wort ist „Psst“. Das heißt immerhin: man kommuniziert noch miteinander.

Andererseits: Mitarbeitende werden sowieso überschätzt! Deswegen hier ein paar weitere Tipps, wie Vorgesetzte fokussiert handeln können und sollten – inklusive Großraumbüro.

 

Die unsichtbare Führungskraft

Mitarbeitende wollen vor allem eines: in Ruhe gelassen werden. Sie wollen nicht, dass Führungskräfte sich um ihre Arbeit kümmern oder überhaupt daran Interesse haben. Oder an ihren Ideen für etwaige Innovationen. Wozu auch? Das übt nur Druck aus. Der eine versteht den anderen sowieso nicht. Und das alles wird noch dadurch verstärkt, dass es – und mit es ist all-es gemeint – die jeweils andere Partei sowieso um Längen besser weiß.

Immer wieder spricht man gerne von Wertschätzung der Mitarbeitenden. Das ist grundsätzlich legitim. Aber andererseits ist das jeden Monat zu entrichtende Salär auch genügend Wertschätzung. Zeigen würde sich dies umgehend beim Aussetzen der Zahlungen. Man muss das nicht probieren. Es liegt auf der Hand. Also.

Zögern Sie auch nicht, sich für die privaten Belange Ihrer Mitarbeiter nicht zu interessieren! Das zeigt nochmals klar auf, dass Sie auf Erfolg fokussiert sind und deswegen hier vor allem gearbeitet werden soll. Mitarbeiter haben ihre Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Dafür gibt es wertschätzendes Geld. Die an Demenz erkrankte Oma spielt dabei nun wirklich keine Rolle. Darum gilt es auch realistisch im Auge zu behalten: Die Möglichkeiten von Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen sind utopische Romantik. Lassen Sie es einfach. Doch dazu gleich mehr.

Tipp: Machen Sie sich für Ihre Leute rar! Lassen Sie sich nicht blicken! Unsichtbar. Es spart Ihnen Zeit und Nerven. Mit den Möglichkeiten automatisierter Auswertungen können Sie aus der Ferne Ihre Leute erfolgsorientiert überwachen. Das reicht.

 

Work-Work-Work-…-Balance

Sehr oft liest man, hört man, erlebt man, dass Mitarbeitende keinerlei private Dinge auf den Schreibtisch stellen, über ihn hängen dürfen; also ihren Schreibtisch nicht privatisieren dürfen. Aber was heißt hier Schreibtisch? In ihrem Kopfappartement. Und das ist sehr gut so! Denn Mitarbeitende sollen sich auf ihre Arbeit fokussieren. Dafür erfahren sie Wertschätzung – wird Geld überwiesen. Was also soll hier ein Bild von der Tochter auf dem Schreibtisch helfen, die im Urlaub ihren ersten Kugelfisch geangelt hat? Weder Töchter, noch Kugelfische bringen das Unternehmen weiter.

Wenn wir von Desk Sharing sprechen: Wir mögen es doch alle, wenn andere am eigenen Schreibtisch rumwursteln, bröseln und Sonstiges machen. Wie soll also der eine Mitarbeiter vom Bild der Ehefrau des anderen Mitarbeiters profitieren können? Es wäre unter Umständen eine unangemessene Verlockung. Oder Verwirrung. Aber auch hier stellt sich schon wieder die grundsätzliche Frage: Was heißt hier „eigener Schreibtisch“? Es ist nicht der eigene und es ist erst recht kein Schreibtisch.

Verbieten Sie auch facebook, youtube, Snapchat, Instragram und auch alles andere. Es kann und darf nicht sein, dass am eigenen Rechner – eigener Rechner??? – während der Arbeitszeit privater Social-Media-Unsinn betrieben wird. Und dass die Mitarbeitenden dann einfach auf ihre Smartphones ausweichen würden ist mehr Gerücht als Realität.

Tipp: Verbieten Sie alles Private am Arbeitsplatz, übergehen Sie die Möglichkeiten der Arbeit im Privaten und sperren Sie alles was sich nach Social Media anhört. Nicht umsonst spricht man von Work-Life-Balance! Life hat im Work nichts verloren, sonst würde die Balance nicht mehr zu halten sein!

 

Mitarbeiter entwickeln – doch wer hat sie eigentlich eingewickelt?

Mitarbeitende weiterzuentwickeln gilt immer wieder als große Aufgabe für Führungskräfte. Was kann der eine Mitarbeitende leisten und was der andere – wenn man sie nur richtig fördert. Man muss die Mitarbeiter dort abholen, wo sie stehen. Und dann muss man sie irgendwo anders hinentwickeln – so entsteht dann Innovation. Angeblich. Aber wer hat sie denn in die Lage gebracht, dass sie „entwickelt“ werden müssen? Ist es nicht so, dass jeder für sich selbst verantwortlich ist? Was denn, wenn Mitarbeiter so richtig toll weiterentwickelt werden und diese dann diesen Aufwand damit belohnen, dass sie das Unternehmen verlassen? Richard Branson hat dazu wohl eine gute Antwort. Man muss aber nicht alles ernst nehmen.

Die meisten Mitarbeiter wollen nicht entwickelt, sie wollen in Ruhe gelassen werden und sie wollen auch nicht für Innovation zuständig sein. Und das ist auch völlig legitim! Selbstverständlich kann man den Mitarbeiter, der meint unbedingt seiner Führungskraft gefallen zu müssen, zu irgendeiner Weiterbildung schicken. Aber nur, wenn sich das gebühren- und reisekostenbezogen im ganz engen Rahmen hält. Es gibt ein Buch, in dem klar belegt wird, dass Weiterbildungen grundsätzlich unsinnig und ohne nachhaltigem Erfolg sind. Also!

Tipp: Am besten ist es, wenn Sie Begriffe wie „Personalentwicklung“ oder „Weiterbildung“ aus Ihrem Führungskraftwortschatz streichen. Sie sind kein Kindergärtner oder Lehrerin, sie sind Führungskraft.

 

Arbeits-, nicht Wohlfühlplatz

Wir wissen alle, dass Mitarbeiter stetig steigende Ansprüche haben. Die EDV ist zu langsam, der Stuhl ist unbequem, die Maschine ist veraltet, es ist zu heiß, zu kalt, zu luftig, zu stickig … Das kennen wir alle. Und die Arbeit ist natürlich viel zu viel für viel zu wenige Mitarbeiter. Darüber haben dann die Mitarbeiter Zeit sich zu unterhalten. Dass sie dadurch wertvolle Arbeitszeit verschwenden, ist ihnen nicht klar.

Natürlich dürfen Mitarbeiter diese Ansprüche haben; diese haben aber eben nichts mit der wirklich wirklich wichtigen Wirklichkeit zu tun. Denn die Wirklichkeit ist nun mal Arbeit. Dafür wird Lohn und Gehalt bezahlt. Das ist ein all-inclusive-Betrag. Da kann nicht einfach noch diese Leistung und dann noch jene Leistung oben draufgelegt werden. Das kann „Ich-muss-verrückt-sein-Aale-Dieter“ auf dem Fischmarkt. Sie sind nicht Aale-Dieter! Das ist die Arbeit, das ist der Arbeitsplatz und das ist das Geld, das es dafür gibt. So einfach ist das. Das muss nicht anders werden. Und wer verspricht Ihnen denn, dass es besser wird, wenn es anders wird? Niemand. Noch nicht einmal Lichtenberg. Also bleiben Sie bei dem was ist und fertig. Solange die Arbeit gemacht wird, ist die Arbeitswelt eine gute.

Artikel wie zum Beispiel über die Broken-Window-Theorie verwirren im Endeffekt mehr als sie helfen. Ungut. Wirklich wirklich ungut!

Tipp: Kümmern Sie sich nicht um die Arbeitsumgebung der Mitarbeiter, denn sie wären schon längst nicht mehr da, wenn sie so schlecht wären. Und verbieten Sie um Himmels Willen auch, dass Ihre Leute sich ständig miteinander unterhalten. Ein Großraumbüro ist dafür schon mal ein guter Anfang.

 

Mitarbeiter – Motivation

Natürlich gibt es noch viele weitere Tipps, wie man mit Mitarbeitenden umgehen, sie motivieren oder ihnen auch die Grenzen aufzeigen kann und sollte. Dieser Artikel sollte nur einen kleinen Anstoß geben, um in diese Richtung zu denken.

Empfehlenswert und zum Thema passend hierzu sind immer noch die acht Grundregeln für den Stillstand in Organisationen des legendären Prof. Kruse

Wenn Sie aber gar nicht anders wollen: Sie können natürlich auch das Gegenteil des hier Geschilderten probieren. Fangen Sie zum Beispiel damit an, dass Sie Ihre Büros nicht in Großraumbüros umbauen. Das wäre schon mal ein Anfang. Vielleicht sogar ein sehr guter!

 

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Dr. phil. Markus Reimer ist Keynote-Speaker und Lead Auditor für Managementsysteme.