Zurück. In die Gegenwart Industrie 4.0.

Der Kunde kommuniziert im Zeitalter von Industrie 4.0 mit seinen beigepinken Schnürsenkeln seiner in der Produktion befindlichen Sneakers. Letztere teilen dem Kunden aber wiederum per Messengerdienst mit, dass Schnürsenkel bei ihnen gar nicht vorgesehen sind

 

Rückkehr in Reue?

Adidas kehrt zurück nach Deutschland. Nach Ansbach. In Franken. Und zwar mit ihrer zuvor nach Asien ausgelagerten Sneakers-Produktion. Auf den Mühlen der eher konservativ traditionell geprägten Akteure ist das gerne gesehenes Wasser: „Wussten wirs doch!“

Aber so einfach ist das nicht. Beileibe nicht. Es ist sogar gänzlich anders. Denn hier kehrt ein Unternehmen nicht reumütig zu seinen Wurzeln zurück. Nein, ganz und gar nicht. Es hat sich viel eher ganz neue Wurzeln zugelegt. Und das alles hat nun enorm viel mit Innovation, mit Wissen und nicht zuletzt auch mit Qualität zu tun.

 

Rückkehr in Industrie 4.0

Adidas kommt zurück und setzt auf Geschwindigkeit, auf Speed – wie man es moderner ausdrückt. Adidas setzt auf Flexibilität und es setzt vor allem auf Individualität. Und auf Qualität. Oder um es kurz zu machen: Adidas setzt auf Industrie 4.0. Nicht dass Adidas zuvor nicht auf Geschwindigkeit, auf Flexibilität, Individualität oder Qualität gesetzt hätte. Aber jeder einzelne Ausschlag hat enorm zugenommen.

So wie man sich schon seit einigen Jahren sein Müsli bei mymüsli zusammenstellen kann in gefühlten zehn Billiarden Variationen – eine Art manuelle Variation von Industrie 4.0, als die Gründer in ihrer Küche die gewünschten Mixturen noch per Hand zusammenrührten, so kann man sich als Kunde bei Adidas nun bald seine Sneakers zusammenmixen lassen. Ob es hier auch zehn Billiarden Variationen geben kann ist nicht geklärt – noch nicht.

 

Aus Industrie mach Industrie 4.0 – eine Schleife zurück zur Vergangenheit

Was ist das eigentlich mit Industrie 4.0? Was ist dann eins Punkt, zwei Punkt und drei Punkt null und was hat das mit Sneakers zu tun?

Industrie 1.0 begann sozusagen Anfang des 18. Jahrhunderts. Sie hieß damals noch nicht 1.0, weil das keinen Sinn ergeben hätte und des gab damals auch noch keine Sneakers. Es gab einfach Schuhe. Diese Industrie zeichnete sich dadurch aus, dass durch Maschinen die ersten Massenproduktionen möglich waren. Dort, wo dies möglich war, waren die Hände des Handwerksmeisters nicht mehr so gefragt.

Knapp ein hundert Jahre später begann die Zeit von Industrie 2.0. So hat man das in Gegenwart nachträglich bezeichnet. Zu diesem Zeitpunkt waren dann auch schon die Sneakers erfunden. Sie hießen damals zwar noch nicht so, aber um 1860 wurden die ersten Sportschuhe entwickelt und produziert: die Vorstufe zu den Sneakers. Doch das nur am Rande. Industrie 2.0 zeichnete sich aus durch die durchgängige Elektrifizierung, daraus folgende Automatisierung, durch die Zunahme an Geschwindigkeit und über das Aufkommen neuer Kommunikationsmöglichkeiten durch den Einstieg in den globalen Handel.

Nur 70 Jahre später war die Zeit reif für Industrie 3.0 – und für Sneakers: Letztere feierten da schon ihr 20jähriges Jubiläum. Die immer weiter verbesserte Elektronik und das Voranschreiten der Informationstechnologie führten zu ungeahnten Möglichkeiten der Automatisierung durch Programmierung. Industrieroboter übernahmen die arbeitsteiligen Schritte in ganzen Fabriken. Die Tür zu Industrie 4.0 war offen.

 

In der Zukunft angekommen mit Industrie 4.0

Jede Menge Maschinen bei einem engen Kooperationspartner von Adidas stellen ganz nach individuellen Kundenwünschen nahe an der Echtzeit jederzeit grünblaugraue Sneakers, mit pinkschwärzlichen Sohlen aus dem 3D-Drucker, und wenn es sein muss, dann auch bald mit eigenem Namenszug her: Ganz so wie der Kunde in Eckernförde, in Bielefeld, Trier oder in Bad Reichenhall sich das gerade bei einem Händler oder über sein Smartphone ohne Händler gewünscht hat.

Der Kunde kommuniziert dann mit seinen beigepinken Schnürsenkeln seiner in der Produktion befindlichen Sneakers. Letztere teilen dem Kunden aber per Messengerdienst mit, dass Schnürsenkel bei ihnen gar nicht vorgesehen sind. Die Schnürsenkel organisieren sich darauf wieder selbst zurück in die entsprechenden Lagerplätze – sofern sie nicht gerade aus dem 3D-Drucker geschlüpft sind – und teilen dem Rest der Anlage mit, dass sie beigepink ab sofort zur Verfügung stehen.

 

Industrie 4.0 – Zukunft ist Gegenwart

Zu alledem braucht es nur noch wenige Mitarbeiter, die diese Maschinen auf einer administrativen Metaebene am Laufen halten. Der Rest wird hochindividuell mit automatisiertem Input vom Kunden mit oder ohne Händler erledigt. Niemand kann also morgens um halb zehn genau vorhersagen, welche Sneakers für wen wohin im Laufe des Tages wohl produziert werden. Das ist einer der gegenwärtigen Maßstäbe von Innovation, das ist Industrie 4.0: Losgröße 1 – dazu ist Adidas nun nach Deutschland zurückgekehrt.

Und das ist eben keine Rückkehr im eigentlichen Sinne. Der Ort der Rückkehr mag der gleiche sein; aber das dafür nötige Wissen oder die bisherige Qualität der Prozesse und der Produkte haben damit nicht mehr viel oder auch gar nichts mehr zu tun: Es ist alles anders. Adidas hat nun die ersten Schritte gemacht. Die Ansbacher Maschinen können die große Masse der Produktion logischer Weise noch nicht übernehmen. Noch nicht. Es ist der Start. Die Gegenwart ist in der Zukunft angekommen.

Die Kombination „Speed und Individualität“ an der Schnittstelle zum Kunden ist mit Produktionsstätten in Asien aufgrund der Entfernungen nicht mehr zu bewerkstelligen; in Ansbach oder dort, wo der Kunde kauft, aber schon. Das ist der Grund der Rückkehr.

 

Industrie 4.0 – ein Hype?

So manche Unternehmen wollen es noch nicht wahrhaben, dass sich die Zeiten mal wieder drastisch ändern. Industrie 4.0 ist kein Hype, kein Trend! Es ist ein Megatrend! Es ist ein Zug, der immer mehr an Fahrt aufnimmt und auf den immer mehr Kunden sehr gerne aufspringen werden. Denn Speed in Kombination mit Individualität ist mehr als trendy: Und dann ist man hoffentlich Anbieter in diesem Zug – und fährt mit. Oder der Zug fährt ohne einem weiter, dafür aber mit den Kunden davon; gerne auch ins Abendrot.

Das wäre dann wenigstens ein romantischer Abgang.

 

Hier finden Sie den Vortrag von Dr. Markus Reimer zum Thema.

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