Innovation und Wissen „FIRSt“!

Innovationen stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit Wissen. Wer nichts weiß, ist in der Regel auch nicht innovativ. Wer viel weiß, ist unter Umständen noch weniger innovativ. Also ein klassisches Paradox? Wer viel weiß, der ist innovativ und nicht innovativ.

Diese Paradoxie löst sich jedoch schnell wieder auf, wenn man Wissen unterscheidet. Seit langem wird unterschieden zwischen implizitem und explizitem Wissen. Implizites Wissen ist das , was im Kopf eines Menschen vorhanden ist und nicht so leicht niedergeschrieben, also auch nur schwer transferiert werden kann; oder das , was auch vielleicht gar nicht so als Wissen – des dann doch Wissenden – erkannt wird. Das klassische Erfahrungswissen gehört in diese Kategorie. Im Gegensatz dazu ist alles Wissen, was niedergeschrieben, relativ einfach weitervermittelt und damit leicht erlernt werden kann, expliziter Natur.

Soweit ist das bekannt und nachvollziehbar. Die Frage, die sich nun stellt, ist: Wo ist das Wissen, das Innovationen blockiert oder eben fördert?

Diese Frage kann grundsätzlich so beantwortet werden: Hat ein Experte enorm großes Wissen über eine bestimmte Sache, dann wird er dieses Wissen anwenden, um genau diese bestimmte Sache zu stabilisieren, vielleicht auch, um diese unter beherrschten Bedingungen weiterzuentwickeln. Der Experte kann durch sein Wissen ziemlich zielgerichtet zuverlässige Entscheidungen treffen. Das ist grundsätzlich gut, denn die Erfolgsquote dürfte dadurch stets eine hohe sein. Die Innovationsquote dürfte dagegen stets eine eher niedrige sein. No risk, no surprise!

Genau dazu gibt es jetzt den, wie ich finde, sehr hilfreichen Gegenentwurf der FIRSt-Matrix. Sie wurde erarbeitet von drei Wissenschaftlern der Fernuniversität Hagen (Julmi/Lindner/Scherm 2016): Sie unterscheiden im nach wie vor gegebenen Rahmen von impliziten und expliziten Wissen, vier Unterkategorien des Wissens. Drei davon lassen sich sofort nachvollziehen: Basiswissen, Fachwissen und Routinewissen. Und dann ist da noch das sogenannte kreative Wissen.

Basis- und Fachwissen sind Wissenskategorien des expliziten Wissens: Es ist leicht transparent zu machen und damit auch erlernbar; Basiswissen natürlich leichter als Fachwissen.

Das Routinewissen dagegen ist implizit, jedoch durch leicht zu machende Erfahrungen gut erlernbar.

Doch was hat es nun mit dem kreativen Wissen auf sich? Es ist definitiv implizit und es unterscheidet sich grundlegend von den drei anderen Wissenskategorien. Es ist mit einem großen Unsicherheitsfaktor behaftet. Es ist vorwärts-, zukunftsgerichtet; orientiert an Neuem. Es ist eher eine fundierte Ahnung der entsprechenden Protagonisten – auf expliziten und impliziten Erfahrungen gründend. Es greift nicht nur zurück auf reproduzierte, sondern viel mehr auf interpretierte Wissensbausteine. Das macht das kreative Wissen gegenüber den drei konkurrierenden Kategorien unsicherer, ungewisser, unglaubwürdiger.

Analytisches, faktisches und rationales Fach-, Routine- und Basiswissen: Da weiß man, was man hat!

Und kreatives Wissen? Ist das eigentlich Wissen? Oder ist es eben doch nur ein Gefühl – mit oder ohne Bauch? Und können auf der Basis eines Gefühls sinnvolle Entscheidungen getroffen werden?

Julmi, Lindner und Scherm setzen dem tradierten „Standardisierten Entscheiden“ (Basiswissen), dem „Routinebasierten Entscheiden“ und dem „Fachwissenbasierten Entscheiden“ das „Improvisationsbasierte Entscheiden“ durch Kreatives Wissen entgegen. (Die Anfangsbuchstaben von Fachwissen-, Improvisations-, Routinebasierten- und Standardisiertem Entscheiden bilden den „FIRSt-Terminus).

Sie fordern, das Improvisationsbasierte Entscheiden den anderen „rationalen“ Entscheidungen gleichzusetzen. Und damit haben sie Recht! Soll etwas Neues, nicht Dagewesenes entstehen, dann ist es nicht möglich, eine abgesicherte Entscheidungsgrundlage zu haben: Neues ist deswegen neu, weil es das noch nicht gegeben hat!

Abgesehen davon: Entscheidungen können, und seien sie auch noch so ein festes Konglomerat aus Fach-, Routine- und Basiswissen, trotzdem falsch sein. Entscheidungen stellen sich immer erst im Nachhinein als richtig oder falsch heraus. Vielleicht hatte Joachim Ringelnatz dazu schon so eine Vorahnung zur FIRSt-Matrix, als er behauptete: „Sicher ist, dass nichts sicher ist. Selbst das nicht!“ Für das Improvisationsbasierte Entscheiden ist das doch eine Grundlage, wie sie besser nicht sein könnte …

(Literatur: Julmi/Lindner/Scherm 2016: Das richtige Wissen für die richtige Entscheidung, in Zeitschrift „Wissensmanagement“ 01/2016, S. 28 – 30)