Erwarten Sie das Erwartbare!

„Das Un-Erwartbare muss in das Erwartbare umdefiniert werden; sich die Frage zu stellen: Was wäre eigentlich, wenn man keine Kutschen mehr braucht? Mit einer guten Antwort wird man vom Reagierenden mit logischem Zeitverlust zum Agierenden mit Zeitvorsprung.

Romantiker haben es dagegen gerne gemütlich – zum Beispiel in einer Kutsche.  Sofern Sie mit Ihrer Kutsche in Österreich in Wien oder in Deutschland in Dresden sind, dann passt das noch!“

 

Vor ungefähr zwei Jahren war ich mit meiner Frau spazieren. Auf der schwäbischen Alb. Genau gesagt waren wir fertig mit Spazieren. Wir wollten nur noch einen, aus meiner Sicht mehr als verdienten, Jausen-Abschluss einlegen im dort nicht wenig bekannten Nägelehaus. Auf dem Weg dorthin, eine kleine Anhöhe war noch zu bewältigen, kamen uns einige Menschen entgegen. Einer dieser Menschen kam mir spontan bekannt vor; er sah aus wie ein Bekannter von mir. Ich lächelte ihn an, mehr nicht, denn der, den ich meinte, der konnte es nicht sein, denn der lebte in Berlin und was sollte dieser an einem Sonntag-Abend hier auf der Schwäbischen Alb?

„Hallo Herr Reimer!“

 

Haben Sie vor kurzem die Samstagabend-Show „Verstehen Sie Spaß?“ gesehen, in der Helene Fischer, also DIE Helene Fischer,verkleidet als Helene Fischer, in einer Pizzeria Pizzen verkauft? Die Gäste hatten Helene Fischer vor ihren Augen, viele meinten auch sie erkennen zu können, trauten sich dann aber nicht etwas zu sagen oder formulierten irgendwelche ungläubigen Sätze mit „Ähnlichkeiten“ und so … es war durchaus ein Spaß! In der Tat. Menschen werden mit dem Unerwarteten konfrontiert und können es und wollen es nicht einordnen.  Was nicht sein kann, das darf auch nicht sein.

Darf es doch!!!

 

Innovation – die Un-Erwartbare. Oder: Die Innovations-Romantiker

Vor kurzem durfte ich in einem durchaus erfolgreichen Unternehmen in Baden-Württemberg  ein Innovationsaudit durchführen. In Vorbereitung auf die Begutachtung, in dem die Innovationsfähigkeit des Unternehmens beurteilt werden soll, habe ich mich intensiv mit der Website des Unternehmens befasst. Da stand sehr viel von Innovation. Ich hatte also erwartet, in ein sehr innovatives Unternehmen zu kommen. Doch dem war nicht so und das Interessante daran: Das Unternehmen wusste auch selbst, dass es mit der Innovation bei ihnen nicht so weit her ist. Die Darstellung auf der Website nannte der Geschäftsführer so selbstkritisch wie treffend „Innovations-Romantik“.

Das Unternehmen ist trotzdem sehr erfolgreich, weil es seine Produkte permanent gekonnt und mit viel Know-How verbessert und damit seine Kunden in hohem Maße zufriedenstellt. Aber nun soll es eben an das Thema „Von der Verbesserung hin zur Innovation“ gehen. Dass dabei die permanente Verbesserung von Produkten oder Dienstleistungen keine Innovationen im herkömmlichen Sinne darstellt, ist allen Beteiligten bewusst und das sollte auch allen Lesern dieses Blog-Artikels bewusst sein. Dazu gibt es Zitate, wie zum Beispiel, dass die fortlaufende Verbesserung von Kutschen nie zur Erfindung des Autos, und dass die fortlaufende Verbesserung von Kerzen nie zur Erfindung der Glühbirne geführt hätten.

So ist das.

Und genau deswegen geht es in Unternehmen immer darum, dass das Un-Erwartbare in das Erwartbare umdefiniert wird. Was wäre eigentlich, wenn man keine Kutschen, und seien sie noch so optimiert, mehr braucht? Mit einer guten Antwort wird man vom Reagierenden mit logischem Zeitverlust zum Agierenden mit Zeitvorsprung.

Romantiker haben es dagegen gerne gemütlich – zum Beispiel in der Kutsche.  Sofern Sie mit Ihrer Kutsche in Österreich in Wien oder in Deutschland in Dresden sind, ist die romantische Welt in Ordnung.

 

Qualität – die Un-Erwarbare. Oder: Rembrandts Goldhelm und Picassos Frauenhut

Sicherlich haben Sie von den beiden Geschichten schon einmal etwas gehört oder gelesen. Die erste Geschichte ist dabei so ziemlich das Gegenteil der zweiten. Es geht um Kunst. Es geht um Rembrandt und um Picasso. Und es geht um Qualität, die sich ja dadurch definiert, dass man das erhält, was man gerne möchte.

Und damit zur ersten Geschichte: Der Förderverein der Gemäldegalerie Berlin erwarb Ende des vorletzten Jahrhunderts das berühmte Bild „Der Mann mit dem Goldhelm“ von Rembrandt. Ein kluger Kauf, wie sich herausstellte, denn die Menschen scharten sich um Rembrandts Meisterwerk. Bis sich nahezu 100 Jahre später herausstellte, dass das Bild nun doch nicht von Rembrandt sei. Nun stellte sich der Kauf als doch kein so guter mehr dar, denn die Menschen interessierten sich fortan weit weniger, um nicht zu sagen kaum mehr für das Bild. Obwohl das Bild sich ja nachweislich nicht verändert hatte. D.h.: Erwartbarkeit hat sehr viel mit Berechenbarkeit, also mit Rationalitäten und Kausalitäten zu tun. Dass das Bild das gleiche geblieben ist, tut aber hier nichts mehr zur Sache; die Qualität des Bildes hatte sich durch das Gefühl gegenüber des Bildes, welches nun nicht mehr von Rembrandt war, verändert.

Die zweite Geschichte handelt von einem Bild von Picasso, das von Carl Sabatino auf dem Dachboden gefunden wurde. Stolz auf seinen Fund ging er mit dem Bild unter dem Arm zu einem Auktionshaus, um den sicherlich sagenhaften Wert des entdeckten Kunstwerks zu erfahren. Dort angekommen ließ man ihm wissen, dass das Bild circa 10 Dollar wert sei und dass er nun wieder gehen könne mit seinem „Poster“.

Wie sich später herausstellte, war das Bild doch von Picasso und es war weit über zehn Millionen Dollar wert. Aber: Auch hier hatte sich die Qualität des Bildes nicht, aber auch gar nicht verändert, denn es war noch immer das „Poster“.

Was lernen wir daraus? Wir müssen das Un-Erwartbare erwarten. Vielleicht kommt irgendjemand um die Ecke und legt plötzlich ein Picasso-Werk auf den Tisch. Wer weiß das schon. Es kommt dann sowohl bei Innovation, als auch bei Qualität auch auf die Umgebung an. Sicherlich wäre das Bild im Auktionshaus dann sorgfältiger begutachtet worden, wenn es aus dem Kreis von Kunstkennern und Experten gekommen wäre. Es wäre erwartbarer gewesen. Aber so? Um sinnvoll handeln zu können, muss auch das Unerwartete erwartet und somit das Unerwartete zum Erwarteten werden – wenn auch „unbestimmt erwartet“.

 

Wissen – das Un-Erwartbare. Oder: Ihre Mitarbeiter sind Affen!   

Haben Sie den oscarprämierten Film Slumdog Millionär gesehen? Dort wird das entbehrungsreiche Leben eines Jungen aus den Slums erzählt, der an einer indischen TV-Quizshow teilnimmt, dort alle Fragen beantworten kann und somit gewinnt. Wenn wir nun die kriminelle Energie der Showveranstalter bei Seite lassen, so bleibt es dennoch unglaublich und damit unerwartbar, dass ein Junge mit scheinbar geringem Bildungsniveau all die Fragen richtig beantworten kann. Wie soll jemand wie er zum Teil richtig schwierige Fragen beantworten können? Man traut es ihm nicht zu und deswegen wird er wegen Betrugs festgenommen.

Doch wie sieht es in Unternehmen aus? Werden dort die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Mitarbeiter gesehen, erkannt und genutzt? Oder werden sie einfach zum Befehlsempfänger degradiert und ein riesiges Potenzial bleibt unberührt und ungenutzt. Diese Frage müssen sich viele Unternehmer und Führungskräfte immer wieder stellen. (Siehe hierzu auch den Blogartikel „Mitarbeiter sind Affen“).

Viele Unternehmen wissen einfach nicht, was sie alles wissen. Weil sie nicht erwarten, was sie alles erwarten können und dürfen!

Und wieder zurück zur Schwäbischen Alb:

„Hallo Herr Reimer!“

Ich drehte mich zu ihm.

Ich schaute ungläubig und dann war es innerhalb von Sekundenbruchteilen klar: Ja, es war tatsächlich mein Bekannter aus Berlin. Ich freute mich riesig! Alleine schon deswegen, weil es so unerwartet war. Unglaublich! Ja, Herr R. aus B. auf der Schwäbischen Alb war meine Helene Fischer aus der Pizzeria. Irgendwie.