Das sakrosankte Maul des Gauls

Hilfe ist etwas Gutes! Da sind sich eigentlich alle einig.

Wenn jemand hilft, dann kann man nur schlecht zu dem Schluss kommen: Das war ja wohl gar nichts! Die Hilfe in ihrer reinsten Form ist ein Geschenk; und einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Die Beschenkten sollten sich daran auch halten. Der Zustand des Gaulmauls  ist zu ignorieren und die mit Hilfe Beschenkten sollten gefälligst dankbar sein. Das ist gängige Sichtweise und das ist in unserer Gesellschaft geradezu in Stein gemeißelt. Und das ist grundsätzlich in Ordnung so. Denn Hilfe an sich ist etwas Gutes und Helfer sind auch grundsätzlich gut… Unbestritten. Unbestritten?

Also sollte ein zweiter Blick riskiert werden: Denn gerade weil Hilfen nahezu sakrosankt gesehen werden, werden Hilfen auch gerne mal missbraucht. So geschehen nun auch bei den verschiedenen Hilfsaktionen in den Flutgebieten: Aufruf zu Sachspenden als schnelle Hilfe! Da hat aber schnell der eine oder andere spontane Helfer seinen Keller oder Speicher durchforstet und Sachspende mit Sperrmüll verwechselt. Ob die gebotene Eile hier als Grund der Verwirrung angeführt werden kann? Nehmen wir es an, denn andernfalls müsste man Absicht unterstellen. Dann würde aus einem Helfer ein Täter, zumindest ein Übel-Täter. Doch damit ist diese Groteske noch nicht zu Ende. Denn der Empfänger der Hilfe, also des gespendeten Sperrmülls, darf sich nicht beschweren, denn es ist ja eine gut gemeinte Hilfe. Und über Hilfen beschwert man sich nicht, nein: Dankbarkeit hat im Vordergrund zu stehen! Dankbarkeit dafür, dass die in Empfang genommene Mikrowelle nicht funktioniert, nachdem sie von Schimmel und anderen Tieren befreit worden ist. Also Dankbarkeit für eine Nicht-Mikrowelle, denn das Maul des Gauls darf nicht interessieren.

Es ist nicht einfach mit der Hilfe.

Es wird zudem auch nicht einfacher, wenn viele Menschen nur dann helfen wollen, wenn sie auch prominent gesehen werden: „Schaut, schaut, ich helfe! Ich bin ein Guter!“ Wenn allerdings niemand zum Schauen da ist, dann suchen sich diese „Helfer“ wiederum prominente Stellen, an denen sie so tun können, als ob sie helfen würden. Noch besser: Man macht aus jeder Stelle, an der man so tut, als würde man helfen, eine prominente Stelle, in dem man sich einfach überall einen Pressetross mitnimmt. Sandsack beschwerte Deiche, von denen man höchstens einen einzigen angefasst hat, oder verwüstete Häuser, die man mit betroffenem Blick begutachtet, bieten sich hier an.  Sonst weiß ja niemand, dass man ein Guter sein möchte…

Und man könnte auch ganz kritisch nachfragen: Ist jeder, der Hilfe „verlangt“, auch wirklich hilfebedürftig? Und: Kann oder darf man Hilfe eigentlich verlangen, oder muss man um sie eher bitten? Wenn man Anspruch auf Hilfe hat, ist das dann noch die klassische Hilfe oder ist das dann eher eine erwartbare Leistung?

Es ist nicht einfach mit Hilfe.

Es ist auch nicht besser geworden, seit der Werbeslogan „Da werden Sie geholfen“ in die Welt gesetzt wurde – seitdem hat Hilfe auch noch eine absurd-witzige Seite! Hilft aber niemandem.

Aber zu guter Letzt kann man doch noch einen Hinweis im Sprachgebrauch finden, der zeigt, dass Hilfe doch nicht schon immer ausnahmslos gut gesehen wird: Wie wäre sonst folgender Spruch des Volksmundes zu verstehen?

„Na, dem werde ich helfen!!“

Wer möchte schon gerne der Adressat dieser Hilfe sein? Sie? HILFE!!!