Das Ende im und nach dem Ende

Rocky Balboa meint in seinem letzten Film zum Thema Ende „Es ist erst vorbei, wenn es vorbei ist!“ Sein Gegenüber entgegnet ihm daraufhin, dass das wohl ein Spruch aus den Achtzigern sei. Rocky meint: „Eher aus den Siebzigern!“ Ich meine: Es ist eher egal von wann, viel eher wichtig ist, dass das für immer gilt. Schluss. Aber genau hier liegt das Problem.

 

Das Ende von dem was ist

Es ist oft schwierig zu erkennen, wann genau irgendetwas vorbei ist. Denn dieses irgendetwas ist oftmals sehr indifferent. Man weiß unter Umständen gar nicht mehr, ob das, was da sein soll, auch wirklich noch da ist, um es dann auch beenden zu können. Vielleicht war es noch nie da und es kann deswegen nicht beendet werden. Oder ist es schon längst beendet und man weiß es nur noch nicht. Werden wir konkret.

Ein Fußballspiel ist in der Regel nach 90 Minuten vorbei. Man weiß, dass es begonnen hat und man weiß sehr genau, ob es noch läuft oder eben nicht. Der Schiedsrichterpfiff startet, unterbricht und beendet ein Spiel. Man weiß Bescheid, man kennt sich aus. Aber nimmt man „das Phantomtor“ von Hoffenheim, bei dem ein Ball durch ein Loch im Außennetz im Tor gelandet ist und das dann auch noch gegolten hat … oder nimmt man das Spiel, in dem Maradonas, also sowas wie Gottes Hand wundersam den Ball abgelenkt hat – ohne ihn natürlich zu berühren: Diese Spiele enden praktisch nie. Sie enden nie in den Köpfen der Beteiligten. Trotz Schiedsrichterpfiff, der zwar das Spiel beendet, ist hier „das“ Ende doch gar nicht so einfach, wie es zunächst scheint. Noch viel schwieriger wird es aber, wenn gar kein Schiedsrichter da ist, der irgendwann den Schlusspfiff setzt. Dann muss man selbst erkennen und vor allem entscheiden, wann das Ende erreicht ist. Und oft würde man sich da einen Schiedsrichter wünschen, der irgendwann pfeift. Aus! Schluss! Nicht zuletzt auch, um etwas Neues beginnen zu können. (Siehe auch Blog-Artikel: Mein Anfang)

 

Das Ende im Ende

Nehmen Sie eine Ehe. Eine Ehe kann zu Ende sein. Formal ist sie das, wenn der Scheidungsrichter sagt: Ich erkläre die Ehe hiermit und jetzt für geschieden. Aus! Schluss! Aber dieser Scheidungsrichter muss ja erst einmal beantragt werden. Also hat derjenige, der die Scheidung einreicht, selbst zu erkennen und zu entscheiden, wann das Ende erreicht ist. Das ist jedoch kein bestimmter Augenblick, sondern zumeist ein langwieriger schleichender Prozess. Das heißt, man befindet sich nicht plötzlich „am“, sondern bereits „im“ Ende – ohne dies zu erkennen. Und plötzlich blitzt es dann vielleicht immer wieder und immer öfter auf: Aus? Schluss?

Man kann es nicht glauben, ignoriert es – und macht vielleicht einfach weiter: im Ende! Wenn das Ende von einem Ehepartner akzeptiert ist, dann heißt das aber auch noch lange nicht, dass dieses  auch der andere akzeptiert. Also spielt und kämpft die eine Fußballmannschaft weiter, während die andere sich bereits in der Kabine befindet. Die erzielten Tore gehen ins Leere. Tore, die ein Ende nach dem Ende zwar hinauszögern, aber nicht ändern; weder im Fußball, noch in der Ehe…

Bis alle Beteiligten kapieren: Es ist aus! Schluss! Tatsächlich! Und dieses Ende, nun von allen Seiten wahrgenommene, nimmt dann vor dem Familiengericht ein weiteres drittes Ende. Der Schlusspfiff. Gültig. Endgültig.

 

Das Ende von dem was hätte werden sollen

Es verhält sich nicht anders in Unternehmen. Notwendige Enden werden oft partout nicht herbeigeführt. Doch das ist etwas sehr Entscheidendes. Alles was einen Anfang hat, muss auch ein Ende haben. Vor allem dann, wenn sich abzeichnet, dass das, was hätte werden sollen, wohl nicht eintreten wird. Dabei ist es gleichgültig, ob das Projekte betrifft, die trotz hohem Aufwand wohl nicht das erwünschte Ergebnis erreichen werden. Oder ob es Mitarbeiter betrifft, die die Erwartungen nicht erfüllen können. Oder ob es Unternehmen betrifft, die die in Aussicht gestellten Erwartungen der Mitarbeiter nicht erfüllen können oder wollen. Entscheidungen werden nicht gefällt, um ein unangenehmes Ende hinauszuzögern. Lieber den vielzitierten Schrecken ohne Ende akzeptieren, als mit schrecklichen Enden konfrontiert zu werden. Und so spielen auch in Organisationen oftmals Fußballmannschaften ohne Gegenmannschaften, ohne Schlusspfiff, ja, sogar ohne Spiel. Erfolgreiche Unternehmen brauchen auch Enden! Zum richtigen Zeitpunkt. Nicht nur Entscheidungen für, sondern auch Entscheidungen gegen etwas Laufendes sind essentiell.

In einem Dilbert-Comic-Strip von Scott Adams kommt Dilbert zu seinem Chef und teilt ihm mit, dass das Projekt nicht gestartet werden könne, weil man keinen Projektnamen fände. Daraufhin meint der Boss, man solle einfach einen Städtenamen nehmen.

Dilbert: „Das geht nicht, da alle Städtenamen bereits für laufende Projekte aufgebraucht seien.“

Boss: „Dann nehmen Sie Flüssenamen!“

Dilbert: „Das geht auch nicht, denn auch alle Flüssenamen sind bereits für laufende Projekte verwendet!“

Boss: „Dann nehmen Sie eben einen Namen eines Projekts, welches bereits abgeschlossen ist!“

Dilbert: „Wir haben noch nie ein Projekt abgeschlossen!“

 

Hier geht es einem Livemitschnitt aus einem Vortrag von Dr. Markus Reimer