Das Stockdale-Paradoxon und Angelina Jolie

Der Management-Autor Jim Collins erkannte beim Studieren der Erlebnisse von James Stockdale in Gefangenschaft eine paradoxe Kraftquelle … und definierte das Stockdale-Paradoxon.

 

Zwei Soldatengeschichten – eine Kraftquelle

Die wahre Geschichte des Soldaten Louis Zamperini, nun verfilmt von Angelina Jolie und ab morgen im Kino, taugt eigentlich nicht für einen Blog-Beitrag zum Thema Innovation. Dazu sind die Erlebnisse dieses Mannes viel zu fürchterlich.

Aber es war und ist auch nicht meine Idee, diese tragische Geschichte in den Zusammenhang „Management“ zu bringen. Das war vielmehr die Idee des Managementvordenkers Jim Collins. Dieser hatte zwar nicht in der Geschichte von Louis Zamperini, dafür aber in der von James Stockdale einen besonderen (Überlebens-)Gedanken erkannt. Sowohl Zamperini, als auch Stockdale waren Soldaten und gerieten in Kriegsgefangenschaft. Zamperini war, bevor der zweite Weltkrieg ausbrach, Leichtathlet und nahm sogar an den Olympischen Spielen 1936 teil. Im Krieg geriet er dann in Gefangenschaft, die zwei lange Jahre andauern sollte – bis zum Ende des Krieges. James Stockdale geriet im Vietnamkrieg in Gefangenschaft und schaffte es, dort über sieben Jahre in dieser zu überleben. Beide waren fürchterlichen Strapazen, Demütigungen und Folterungen ausgesetzt. Beide haben aus- und durchgehalten und kehrten als Kriegshelden in ihr Heimatland zurück. Doch wie konnten die das aushalten?

 

Der Weg zum Stockdale-Paradoxon

Der Wille und die Kraft zu diesem Aus- und Durchhalten mussten sich irgendwoher speisen. Jim Collins erkannte beim Studieren der Erlebnisse von James Stockdale in Gefangenschaft eine paradoxe Kraftquelle … und nannte sie fortan das Stockdale-Paradoxon.

Was ist damit gemeint?

Grundsätzlich ist es ein guter Weg, sich Ziele zu setzen und darauf Hoffnungen gründen; das ist ein relativ bekannter und meist auch erfolgreicher Weg. In Kriegsgefangenschaft kann der Gedanke „Egal wie es kommt: An Weihnachten bin ich wieder zuhause!“ Hoffnung, Kraft und Trost spenden. Kann.

Was passiert aber mit einem menschlichen Geist, wenn die Hoffnung sich als haltlos herausstellt: Man ist Weihnachten nicht zu Hause und auch nach dem nächsten Ziel – zu  Beispiel Ostern – ist man nicht zu Hause. Der Grat zwischen Hoffnung und der Hoffnungslosigkeit aus Erfahrung führt direkt zur Verzweiflung; der Optimismus und der Glaube daran, dass alles gut wird, gehen verloren. Ziel um Ziel wird nicht erreicht. Das bedeutet irgendwann: Aufgabe. Der Weg ist aussichtslos. Der menschliche Geist gibt auf.

Der andere Weg wäre, sich einfach gar keine Ziele zu setzen. Dass dieser Weg aber auch zu gar nichts führt, ist logisch und bekannt. Er muss nicht weiter ausgeführt werden. Dieser Weg ist noch nicht einmal aussichtslos, denn es ist noch nicht einmal ein Weg.

 

Das Stockdale-Paradoxon

Gibt es dann noch einen dritten Weg?

Ja, und das ist der von Zamperini oder eben Stockdale. Dieser Weg-Gedanke wird von Collins als das „Stockdale-Paradoxon“ bezeichnet und von ihm in die Management- und Führungslehre übertragen. Zusammenfassend lässt sich dieser Gedanke so beschreiben: Glaube an das gute Ende! Akzeptiere aber jetzt die Gegenwart, auch wenn sie noch so schlimm ist! Setze dir keine illusorischen Ziele, aber glaube an sie! Das heißt also, dass der Überlebens-, bzw. Erfolgsgedanke viel eher grundsätzlich zu denken ist – also ohne konkrete Ziele mit vielzitierter Deadline. Es wird gut werden, aber momentan ist es noch nicht gut und es ist auch nicht klar, wann es gut werden wird. Aber insgesamt wird es gut.

Das liest sich noch nicht mal einfach.

Es zu akzeptieren und danach zu leben, ist noch weit weniger einfach. Fast unmöglich. Und deswegen auch zurecht ein Paradoxon. Dank Angelina Jolie können wir  ein wahres Beispiel dafür im Kino sehen: Unbroken. Die Geschichte von Zamperini, der überlebt hat und sage und schreibe 92 Jahre alt wurde. Stockdale wurde fast 82 Jahre alt.

So mancher Existenzgründer, Unternehmer oder Innovator kann vom Stockdale-Paradoxon Lieder aus der Wirtschaftspraxis singen: Setze dir keine illusorischen Ziele, aber glaube an sie! Und wenn du deine Ziele erreichst, dann heißt es wieder nicht, dass sie auch Erfolg bedeuten. Es ist kompliziert (siehe Blog-Artikel „Fast fliegende Züge“)

Und wenn man es dann genauer betrachtet: Auch Coca Cola hat angeblich in seinem ersten Geschäftsjahr gerade mal 25 Flaschen verkauft. Seit einiger Zeit sind es mehr. Na also: Geht doch!

 

Den Redner Dr. Markus Reimer live erleben können Sie hier.